Wer hätte es für möglich gehalten, dass sich unser gesellschaftliches, kulturelles und soziales Leben innerhalb weniger Tage und Wochen so drastisch ändern würde? Dass sich diese neue Lebensrealität unwirklich und beängstigend anfühlt, ist völlig normal. Seit das gesellschaftliche Leben auch in Schleswig-Holstein heruntergefahren wurde, um eine Ausbreitung des Covid-19 Virus zu verlangsamen, erleben wir eine Ausnahmesituation und müssen uns an die neuen Gegebenheiten anpassen. Aber anstatt nun nur an sich selbst zu denken und Regale von Supermärkten leer zu hamstern, sollten wir alle mehr denn je zusammenhalten – das ist auch trotz des empfohlenen Mindestabstandes von zwei Metern möglich!
Was man aktuell Solidarisches tun kann und welche Strukturen bereits aufgebaut wurden, haben Imke und ich, Johanna, euch in diesem Beitrag gemeinschaftlich zusammengetragen. Welche Strategien wir beide unabhängig von einander in den letzten Tagen genutzt, um Netzwerke aufzubauen? Wie sind wir beide organisiert? Hier kommen unsere Ideen für mehr Gemeinschaft in diesen Tagen:
Imke: Hilfe über Vereine und unter Nachbarn
Zwei Sachen sind mir sofort einfallen: Wir können für Menschen aus den Risikogruppen einkaufen gehen, und wir können Hundehalter unter ihnen dabei unterstützen, dass die Vierbeiner regelmäßig rauskommen – auch wenn im schlimmsten Fall Quarantäne angesagt sein sollte. Letzteres ist auch für uns selbst wichtig, denn wir wohnen mit Hund in einer Etagenwohnung ohne Auslauf.
Organisieren lassen sich diese Formen der Solidarität ganz einfach. Wir sind zum Beispiel in mehreren Vereinen engagiert, haben berufliche Netzwerke und natürlich unsere Familien und Freunde. Wer ist älter oder krank und vielleicht sogar alleinstehend und ohne Familie vor Ort? Über eine Rundmail über die Vereinsverteiler oder eine Message in WhatsApp-Gruppen können hier schnell auch langfristig tragfähige „Solidaritäts-Patenschaften“ aufgebaut werden, denn eines ist klar: Die Lage wird sich so schnell nicht wieder komplett normalisieren.
Auch Nachbarschaftshilfe ist jetzt besonders gefragt: Was liegt schließlich näher, als für eine ältere Nachbarin/einen älteren Nachbarn mit einzukaufen und die Sachen auf dem Weg in die eigene Wohnung vor die Tür zu stellen? Woher ich wissen soll, wer was braucht? Wie wäre es zum Beispiel mit einem Zettel an der Tür der Nachbarn: „Kann ich beim Einkauf oder beim Gassigehen helfen? Rufen Sie mich gern an!“ Unsere Wohnungsbaugenossenschaft hatte eine ähnliche Postkartenaktion sogar – ganz ohne Corona – neulich über ihr Mitgliedermagazin gestartet.
Johanna: Unter dem #Nachbarschaftschallenge findet ihr im Netz übrigens bereits zahlreiche Vordrucke, für Aushänge im Treppenhaus, mit denen ihr eure Hilfe (Einkauf, Erledigungen, Gassi gehen) anbieten könnt. Bitte bedenkt dabei immer daran, die Hygienevorschriften einzuhalten und an eure eigene Sicherheit zu denken.
Johanna: Soziale Medien als Vermittler
Nicht nur über persönliche Netzwerke und Aushänge kann man dieser Tage Hilfe anbieten oder bekommen. Auch die sozialen Netzwerke zeigen momentan, wie sozial sie sein können! Auf Facebook bilden sich aktuell zahlreiche Gruppen, in denen sich freiwillige Helfer und Menschen, die sich aktuell in Quarantäne befinden oder zu Risikogruppen gehören, miteinander vernetzen können. So kann man auch aus der Heimat für Eltern und Großeltern in anderen Städten nach Helfern suchen und finden!
Hier eine Auswahl:
Deutschlandweit: „In Quarantäne? Nachbar*in hilft!“
In dieser Gruppe können sich Betroffene und Helfer in Listen eintragen und sich auf diese Weise vernetzen. Es gibt ein Google-Dokument, welches laufend aktualisiert und in eine interaktive Karte übertragen wird. Weitere Gruppen:
Norddeutschland: „Corona Solidarität. Hilfe, Unterstützung, Aktionen für Norddeutschland“
Für den Raum Kiel: „Kiel hält zusammen, gemeinsam sind wir stark“
Flensburg: „Flensburger für Flensburger“
Lübeck: „Nachbarschaftshilfe Lübeck“
Darüber hinaus kann man sich bei Quarantänehelden.org registrieren. Auch auf dem Nachbarschaftsportal nebenan.de kann man Hilfe suchen und anbieten.
Imke: Soziale Kontakte pflegen – nur anders
Was die Kommunikation angeht, bieten die sozialen Medien in vielen Bereichen natürlich einen willkommenen Ersatz für persönliche Treffen. Das wöchentliche Kaffeetrinken unter Freunden lässt sich schließlich notfalls auch per Videochat aufrecht halten. Aber gerade bei der Risikogruppe der älteren Menschen gibt es sicher auch viele, die noch nicht sicher digital kommunizieren. Am besten also schon jetzt auch eine Telefonliste von allen anlegen, die betroffen sein könnten, damit am Ende niemand abgehängt wird. Früher hat es doch auch geklappt mit der Telefonkette.
Auch neben den ganz existenziellen Dingen wie Lebensmittelversorgung lässt sich Gemeinschaft trotz Mindestabstand leben. Wie wäre es zum Beispiel damit, der Nachbarsfamilie ein Bastelpaket vor die Tür zu stellen, damit die Zeit ohne Schule und Kita zumindest gefühlt nicht ganz so langweilig wird? Oder man könnte sich gegenseitig Bücher ausleihen, statt wie sonst miteinander ins Kino zu gehen und sich dann telefonisch oder per Chat über die Bücher austauschen. Vereine, Stadtteilhäuser und andere Treffs könnten es den Schulen nachmachen und virtuelle Treffs und Kurse anbieten. Und wer so gar nichts mit den neuen Medien am Hut hat, freut sich vielleicht über einen persönlichen Brief.
Oder wie wäre es mit einer individuellen „Fenster-Unterhaltung“ für alle, die nicht besucht werden dürfen? Ich stelle mir grad vor, wie es wäre, in einem Clownskostüm zum Seniorenheim zu fahren und vor dem großen Fenster des Speisesaals eine kleine Vorstellung zu zeigen.
Johanna: Anti-Budenkoller-Maßnahmen: Kinderspaß, …
Für mich persönlich ist die Vorstellung, ab jetzt etwas abgeschotteter zu leben, nicht wirklich schlimm. Ich arbeite eh im Homeoffice, meine Serien-Watchlist ist voll, und ich habe viele Bücher hier. Damit bin ich allerdings in einer sehr privilegierten Situation. Insbesondere Eltern fragen sich gerade vielerorts, wie sie ohne Betreuungsangebote für die Kinder Arbeit und Familie unter einen Hut bekommen sollen. Homeoffice und Kind? Keine leichte Aufgabe.Viele Eltern-Kind-Blogs posten daher im Moment Ideen, wie ihr eure Kinder in den nächsten Tagen und Wochen beschäftigen könnt – beispielsweise die Hamburger Bloggerin Johanna Pinkepank. Und auch hier findet ihr ein wenig Inspiration für ein paar Basteleien.
… Sport und Kultur
Gestern habe ich bei Facebook den Post einer Freundin gesehen „Wer kommt morgen Vormittag mit zum Yoga?“ stand da. Im ersten Moment dachte ich „Ob das eine gute Idee ist?“ – dann sah ich den Link dazu, indem eine Yogalehrerin anbot, dass sie ihre Yogaklassen von nun an via Livestream abhalten würde. Einige Künstler, die ihre Touren absagen mussten geben nun Online-Konzerte, an denen man live am Bildschirm teilhaben kann. Und auch kleinere Künstler versuchen den Umsatzeinbußen aufgrund von abgesagten Touren auf kreative Weise entgegenzuwirken. Comedian Moritz Neumeier kann man nun zum Beispiel via Patreon abonnieren und muss so nicht auf seine Inhalte verzichten.
Johannas Fazit: Informationen – ja! Panikmache – nein danke!
Ich finde es im Moment sehr wichtig, über aktuelle Entwicklungen informiert zu bleiben, dabei aber nicht in Panik versetzt zu werden. Daher eine erste Bitte an alle Social-Media-Nutzer da draußen: Bitte hört auf, Bilder von leeren Regalen im Supermarkt zu teilen. Das führt nur dazu, dass noch mehr Menschen Angst bekommen und erst recht mit dem Hamstern anfangen. Es ist genug für alle da.
Ich persönlich informiere mich gerade am liebsten auf Seiten, die sachliche Informationen publizieren, ohne Ängste zu schüren. Dazu gehören für mich persönlich die Tagesschau und der Norddeutsche Rundfunk. Bei letzterem kann ich insbesondere das Coronavirus-Update von NDR Info mit dem Virologen Prof. Dr. Drosten von der Charité in Berlin empfehlen, in dem wochentags tagesaktuell und relativ nüchtern über die aktuellen Entwicklungen berichtet wird.
Wir halten hier nun die Füße still, waschen und brav die Hände und vermeiden soziale Kontakte so gut es eben geht. Je mehr wir jetzt dazu beitragen das Ansteckungsrisiko einzelner zu senken, desto schneller können wir hoffentlich auch wieder an eine Normalität denken.
Habt ihr weitere Ideen, wie man sich momentan solidarisieren kann?
Immer her damit in den Kommentaren!
Moin, mit Jahrgang 1972 bin ich die „Seniorin“ in der Neuen Etage und fühle mich in dieser besonderen WG pudelwohl. Geboren in Bad Oeynhausen (Nordrhein-Westfalen) habe ich mich schon während meines Zeitungsvolontariats in den Norden verliebt. Nach ein paar Umwegen über Köln, Bamberg, Bayreuth und Oldenburg (Nds.) bin ich 2014 samt Mann und Hund (wieder) in Schleswig-Holstein angekommen. Inzwischen leben wir in Harrislee, einer Gemeinde direkt an der dänischen Grenze und nur einen Katzensprung von Flensburg entfernt. Wenn ich nicht am Schreibtisch sitze, gehe ich am liebsten direkt vor der Haustür zu Fuß auf Entdeckungstouren oder powere mich im Kajak auf der Förde aus.
Herzlich willkommen in der Neuen Etage. Die Aussicht hier oben ist top, alles riecht noch ganz frisch und es gibt regelmäßig etwas Neues zu entdecken.