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Gemeinsam alleine musizieren – das Corona Spezial Orchester

  • 23. September 2020
  • Von Johanna
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Gemeinsam alleine musizieren – das Corona Spezial Orchester

Als mein Vater im Zuge der Kontaktbeschränkungen plötzlich nicht mehr mit seiner Band musizieren konnte, war er ganz schön geknickt. Schließlich lebt Musik davon, dass man sie mit anderen zelebriert. Zum Glück ging es auch anderen Musikern so und es entwickelten sich schnell Projekte, die Musiker trotz Kontaktbeschränkungen zusammenbrachten. Erinnert ihr euch, zum Beispiel, noch an die Fensterkonzerte, bei denen die »Ode an die Freude« zeitgleich gespielt wurde? Ich hatte damals wirklich Gänsehaut. Meinen Vater hat ein ganz ähnliches Projekt sogar zum Weltrekordler gemacht.

Was von Fenster zu Fenster funktioniert, das klappt nämlich auch Online. Der Schleswig-Holsteiner Jens Illemann hat sich direkt zu Beginn des Lockdowns im März Gedanken gemacht, wie man Musiker zusammenbringen kann und hat das »Corona Spezial Orchester« ins Leben gerufen. Die Grundidee: die Teilnehmer spielen daheim ein vorgegebenes Stück ein, nehmen sich dabei auf, schicken es ein und Jens Illemann baut alle Schnipsel zu einem großen Ganzen zusammen. Das kam so gut an, dass sogar ein Weltrekord aufgestellt wurde. Im Interview erzählt er, wie er zu der Idee kam.

Zunächst einmal vielen Dank, dass du dir die Zeit nimmst. Magst du dich den Lesern einmal kurz vorstellen?

Moin zusammen! Ich bin Jens Illemann und neben meinem Beruf als Musiklehrer an einem Gymnasium in Schleswig-Holstein veranstalte ich Orchester- und Chorprojekte für Musiker aus dem ganzen Norden. Seit 2018 wohne ich mit meiner Familie auf einem alten Resthof an der Westküste. Dort habe ich den alten Heuschober als Proben- und Veranstaltungsort ausgebaut – wo neben meinen Projekten auch immer mehr Projekte von anderen Musikern aus der Region und darüber hinaus stattfinden. Jeder kann den Raum mieten. (www.deinprobenraum.de)

Mit deinen Orchester-Projekten »Norddeutsches Film-Orchester« und »Rockin‘ Symphonie« hast du bereits in der »Offline-Welt« Menschen zum Musizieren zusammengebracht. Nun – Corona bedingt – auch online. Wie bist du auf die Idee gekommen?

Ich habe nach dem Lockdown im März schnell nach Lösungen gesucht, trotz Kontaktverbot und „Ausgangsbeschränkung“ gemeinsam Musik machen zu können. Und so kam mir sehr schnell die Idee, meinen Musikern ein kleines Online-Projekte anzubieten. Glücklicherweise habe ich alle technischen Voraussetzung schon gehabt, sodass ich schnell und unkompliziert die nötigen Klangbespiele produzieren und das Notenmaterial erstellen konnte.

Du hast Anfangs über die sozialen Medien und im Freundeskreis nach Musikern gesucht, die Lust haben mitzumachen. Wann hast du gemerkt, dass du damit einen Nerv in der Musiker-Szene getroffen hast?

Ich habe nach 2-3 Wochen gemerkt, dass ich einen Nerv getroffen habe. Zum einen haben sich die Teilnehmerzahlen jede Woche verdoppelt und zum anderen habe ich immer mehr Mails und Nachrichten bekommen von Musikern, die stark unter dem Probenverbot gelitten haben und extrem begeistern waren, jetzt trotzdem wöchentlich ein musikalisches Ziel zu haben. Denn vielen ging es zwar auch um die Musik – durch die neue Situation von Homeoffice und völlig verändertem Alltag hat mein Projekt für viele auch einen kleinen Teil zur neuen Strukturierung des Alltags beigetragen.

Inzwischen sind bei deinem Orchester Menschen aus der ganzen Welt dabei. Von Itzehoe, über die USA bis nach Brisbane in Australien – damit hält das Corona-Orchester den Weltrekord. Wie kam es dazu?

Eigentlich wollte ich mit dem Projekt im Mai wieder aufhören, wir haben wöchentlich ein neues Stück produziert mit teils über 500 Musikern, das konnte ich zeitlich einfach nicht mehr schaffen. Zusätzlich wurden große Lockerungen angekündigt, dass ich das Projekt mit einem großem Abschluss, einem großen Knall, beenden wollte. Also habe ich in Kooperation mit dem Rekordinstitut für Deutschland einen Aufruf zum Weltrekord gestartet, der sich rasant auch weltweit verbreitete. Und am Ende haben wir den neuen Weltrekord für das größte virtuell spielende Musik-Ensemble aufgestellt.

Jeden Monat wird nun ein neuer Titel eingespielt – wie wählst du aus, welches Stück als nächstes Umgesetzt wird?

Jeder Musiker kann ich Stücke Wünschen und auch ich habe viele Ideen. Aus dem großen Pool an Ideen und Vorschlägen wähle ich drei passende Stücke aus und gebe sie den Musikern zur Abstimmung. Das Gewinnerstück schreibe ich dann als großes Orchester- und Chorarrangement so um, dass jeder mitmachen kann. So hat jeder die Möglichkeit, die Musik selber mit auszuwählen.

Was sind die Herausforderungen bei einem Online-Orchester? 

Die Herausforderungen sind natürlich jeden Monat, aus vielen hundert Videobeiträgen ein optisch und akustisch schönes Gesamtwerk herzustellen. Da ist zum einen der Videoschnitt, wo ich immer nach Ideen suche über die Video der Musiker hinaus neue Dinge zu gestalten. Zum anderen machen jeden Monat auch andere Musiker mit, sodass ich immer sehen muss, die Audiodateien so zusammenzufügen, dass es sich nach einem tollen Sing anhört.

Wie lange dauert es, bis aus allen Einsendungen das fertige Video entstanden ist?

Ich arbeite den ganzen Monat kontinuierlich an dem Video. Immer, wenn neue Einsendungen kommen, arbeite ich sie in der Audiospur ein und sortiere die Video so, dass ich nach dem Einsendeschluss am 25. Jedes Monat schnell zu einem Gesamtvideo zusammenfügen kann.

Kann man noch mitmachen oder seid ihr inzwischen ausgebucht?

Jeder kann mitmachen!! Die Noten sind so geschrieben, dass wirklich jeder mitspielen kann. Wenn etwas zu schwer ist, kann man vereinfachen oder nur Teile spielen, das ist alles möglich und erwünscht! Ob Einzelmusiker, Familie, Anfänger oder Profi, jeder kann auf seinem Niveau einen tollen Teil zu jedem neuen Video beitragen. Man kann entweder eine jährliche Mitgliedschaft buchen oder monatlich neu entscheiden. Alle Informationen gibt es auf: www.corona-orchester.de

Im November werden wir sogar eine Weltpremiere spielen, eine Corona-Hymne, die extra für uns geschrieben und komponiert wurde.

Das letzte Stück, welches Online gegangen ist, war »Happy« von Pharell Williams – und ich habe meinen Papa beim Proben besucht. Nachdem er sich das Klangbeispiel ein paar mal angehört hat geht’s ab an den E-Bass. Die Noten vor der Nase und das Beispiel auf den Ohren wird geübt, bis alles sitzt. Sitzt das Stück perfekt, wird ein Video gedreht, welches er dann an Jens schickt. „Das ist echt super einfach mitzumachen.“ sagt er „Man braucht eigentlich nur ein Smartphone und schon kann es losgehen.“ 

Und das sieht dann am Ende so aus. Könnt ihr meinen Vater entdecken?

 

Johanna

Ich bin Johanna und lebe im schönen Kiel. Ich bin ein in den frühen 90'ern geborenes Nordlicht und finde, dass es kaum einen schöneren Ort zum Leben gibt, als unser Bundesland zwischen den zwei Meeren. Ich liebe es mir an der See den Wind um die Nase pusten zu lassen – und das bei jedem Wetter. Ansonsten schlägt mein Herz für schönes Wohnen. Ich liebe gutes Design und baue auch gern mal das ein oder andere Möbelstück selbst.

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