Fernglas, Smartphone mit Bestimmungs-App, Kamera, Butterbrot und Picknickdecke – meine persönliche Ausstattung für Vogelbeobachtungsausflüge – kommt in letzter Zeit öfter zum Einsatz. Seit wir ein Stück aus der Flensburger Innenstadt herausgezogen sind, liegt das Fernglas außerdem immer griffbereit am Wohnzimmerfenster.
Zwar vermisse ich die Möwen ein bisschen, die an der Hafenspitze auf Fischbrötchenjagd gehen, äußerst dekorativ auf Pömpeln sitzen und die Fischerboote „überfallen“, sobald sie ihren Fang rausholen. Dafür habe ich hier schon Rotkehlchen, Grünling, Gimpel, Sperling, Amsel, Elster und Blaumeise entdeckt – und zwar alle an einem Tag! Ein Ausflug in den nahegelegenen Park reicht.
Bei längeren Spaziergängen entlang von Seen und Feldern kommen Stockenten, Blässhühner, Graugänse und Bussarde dazu. Sicher fliegt da noch viel mehr herum, aber als Vogelbestimmungsanfängerin kann ich etliche Artgenossen einfach nur als „Vogel“ kategorisieren. Meiner Freude daran, sie zu beobachten, tut das allerdings keinen Abbruch. Seit ein paar Wochen habe ich zudem fachkundige Unterstützung: Eine sehr gute Freundin hat sich als Hobby-Ornitologin geoutet, die schon als Kind Vögel im Garten ihrer Eltern geradezu akribisch kartiert hat. Sie hat mir dann auch noch eine Vogelbestimmungs-App empfohlen: BirdNET.
Die Anwendung ist einfach: Vogelstimme aufnehmen, die passende Sequenz auswählen, analysieren lassen und schon bist du schlauer. Dahinter steckt ein Forschungsprojekt, dass mithilfe künstlicher Intelligenz und neuronaler Netze über 3.000 Vogelarten weltweit nur am Gesang erkennt. Könnte ich das, wäre ich sicher eine gute Kandidatin für „Wetten das …?“ gewesen.
Ist versehentlich eine menschliche Stimme auf dem Band gelandet, wird die übrigens auch erkannt. „Mensch. Homo Sapiens“ lautet die Antwort. Auch wenn der leider nicht fliegen kann, scheinen die BirdNET-Macher*innen ihn mit programmiert zu haben. Fällt wohl unter die Gattung „komische Vögel“.
Vogelbestimmungs-Apps gibt es natürlich noch viel mehr. Ich habe mir zum Beispiel auch die „Vogelwelt“ vom NABU auf mein Smartphone geladen. Die kostenlose Version bietet unter anderem Informationen zu über 300 Vogelarten und passende Verbreitungskarten. Und noch ein Tipp zum Training: Auf der Seite Deutsche Vogelstimmen könnt ihr euch schon einmal warmhöhren.
Vögel faszinieren Menschen schon lange. Wahrscheinlich, weil Fliegen seit jeder ein Menschheitstraum ist. Für manche Menschen sind Vögel aber auch einfach Jahreszeitenboten. Für meine Tante zum Beispiel. Sie lebt in der Nähe von Frankfurt. Jedes Jahr im Frühjahr spitzt sie die Ohren, ganz besonders bei Spaziergängen durch einen Wald in ihrer Nähe. Und dann ruft sie an: „Imke, ich habe die Nachtigall gehört.“ Dann kann ich hier im Norden schonmal langsam anfangen, die Gartenmöbel aufzuflitzen, denn wenn die Nachtigall singt, ist der Frühling da, sagt sie.
Und wie geht es nun, das Vogelbeobachten? Eigentlich ganz einfach: Du suchst dir einen gemütlichen Platz an einem See, im Wald, an einem Feldrand, im Park, auf dem Balkon, deiner Terrasse, im Garten von Freunden oder einfach am Wohnzimmerfenster – beobachtest und hörst. Am Anfang nimmst du meist nur die Vögel wahr, die sozusagen geradewegs in dein Sichtfeld fliegen. Aber umso länger du sitzt und dich mit Augen und Ohren auf die gefiederten Gesellen konzentrierst, desto mehr von ihnen entdeckst und hörst du. Besonders „nah dran“ kommst du mit einem Fernglas.
Hast du ein Exemplar „vor der Linse“, kannst du ihn im besten Fall sogar länger beobachten – wie er sich putzt, auf Nahrungssuche geht oder mit Artgenossen interagiert. Von wo nach wo er fliegt oder geht und warum er das wahrscheinlich tut. Mit etwas Glück kannst du eifrige Vogeleltern dabei beobachten, wie sie ihre Jungen versorgen oder Jungvögel, wie sie ihre ersten Flugversuche machen – aber bitte mit ganz viel Abstand. Auch Vögel mögen nämlich keinen Stress.
Ist gerade kein Beobachtungsexemplar zu sehen oder hören, kannst du dich auf Spurensuche machen. Zum Beispiel nach Kampfplätzen – gut zu erkennen an ganzen Federhaufen, Lieblingsplätzen – gut daran zu erkennen, dass die Fläche darunter meist völlig vollgesch… ist, und eindeutigen Statements – zum Beispiel auf Autoscheiben.
In Innenstädten sind übrigens über Straßen gespannte Leitungen ein beliebter Landeplatz. Wenn ich dort längere Zeit sitze und das Treiben beobachte, fange ich meist irgendwann an, das Gesehene zu „vertonen“:
„Hi, mach mal Platz da!“
„Ne. Ich bleib hier. Geh doch woanders hin.“
„Na, was gab´s bei dir heute zum Frühstück?“
„Regenwurm. Ganz frisch. Sehr lecker.“
… soviel zur Gattung „merkwürdige Vögel“ 😉
Ein paar ernst zu nehmende Tipps für alle Anfänger unter den Vogelbeobachtern hält der NABU mit seinem Online-Vogeltrainer zu den 15 häufigsten Gartenvögeln in Frühjahr und Winter parat. Außerdem gibt es natürlich jede Menge Literatur zum Thema – auch speziell für Kinder.
Meine eigene Lieblingsvogelfamilie sind übrigens Rabenvögel, Krähen zum Beispiel. Sie lassen sich so einiges einfallen, um an besondere Leckerbissen zu kommen, greifen mutig – besonders wenn sie ihr Nest bewachen – auch schon mal deutlich größere Vögel an, leben in Baum-Groß-WGs, schreiten äußerst selbstbewusst aber immer achtsam umher, und ihr Krächzen, was so mancher nicht mag, ist für mich einfach Ausdruck ihres herb-schlauen Charmes.
Kurz nach meinem 40. Geburtstag habe ich mir sogar eine Krähe auf den linken Oberarm tätowieren lassen. Meine fliegende Begleiterin. Nur ein wenig fotoscheu scheinen sie zu sein, die Rabenvögel – oder einfach zu wachsam für mich: Fotos von majestätisch auf einem Baum oder einer Laterne sitzenden Krähen oder Raben werden bei mir am Ende meist Fotos, auf denen irgendwo und etwas verschwommen ein großer, schwarzer wegfliegender Vogel zu sehen ist. Sei`s drum. Beobachten geht ja live ohnehin viel besser.
Ich wünsche euch auf jeden Fall viel Spaß dabei!
Bestimmungs-App NABU Vogelwelt,
NABU Online-Vogeltrainer
Moin, mit Jahrgang 1972 bin ich die „Seniorin“ in der Neuen Etage und fühle mich in dieser besonderen WG pudelwohl. Geboren in Bad Oeynhausen (Nordrhein-Westfalen) habe ich mich schon während meines Zeitungsvolontariats in den Norden verliebt. Nach ein paar Umwegen über Köln, Bamberg, Bayreuth und Oldenburg (Nds.) bin ich 2014 samt Mann und Hund (wieder) in Schleswig-Holstein angekommen. Inzwischen leben wir in Harrislee, einer Gemeinde direkt an der dänischen Grenze und nur einen Katzensprung von Flensburg entfernt. Wenn ich nicht am Schreibtisch sitze, gehe ich am liebsten direkt vor der Haustür zu Fuß auf Entdeckungstouren oder powere mich im Kajak auf der Förde aus.
Herzlich willkommen in der Neuen Etage. Die Aussicht hier oben ist top, alles riecht noch ganz frisch und es gibt regelmäßig etwas Neues zu entdecken.