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Ich fange mal gleich mit einem Geständnis an: Ich habe lange gedacht, Seitan sei „so eine Art Tofu“. Aber nix da! Seitan ist Weizengluten, erinnert in seiner Konsistenz an Fleisch und kommt ursprünglich aus der japanischen Küche. Außerdem ist Seitan ein perfekter Fleischersatz – zumindest für alle, die keine Glutenunverträglichkeit haben.
Einer, der sich mit Seitan inzwischen bestens auskennt, ist Christian Tietz. Chrischn, wie die meisten ihn nennen, ist der Ober-Seitanist von Flensburg. Nach einer geschmacklich etwas frustrierenden Tofu-Erfahrung auf einer Party hat er 2016 angefangen, in seiner Küche erste Rezepte auf Seitanbasis auszuprobieren.
Die Ergebnisse kamen bei den Tester*innen aus dem Freundeskreis so gut an, dass er sich 2018 mit seinem ersten kleinen Laden selbständig gemacht hat – der Beginn seines persönlichen Engagements gegen die „Salamisierung des Abendbrotes“. Dieser Spruch hat es sogar auf die ersten Merchandise-Produkte der kleinen Flensburger Manufaktur geschafft: T-Shirts und ein Turnbeutel. Warum Turnbeutel? Chrischn spielt Rugby bei den Aalen beim Roten Stern Flensburg, einem alternativen Sportverein in Flensburg.
Inzwischen sind die Flensburger Seitanisten in die Thoosbüystraße gezogen. In dem kleinen Ladenlokal mit großer Schaufensterfläche sieht es auf den ersten Blick ein bisschen aus wie in einer Fleischerei. Kein Wunder. Die meisten Verarbeitungsgeräte, mit denen Chrischn arbeitet, stammen aus dem Katalog für Fleischreibetriebe.
Auch wenn es an die Rezepturen geht, „räubere ich gern bei den Fleischherstellern“, so Chrischn. Er produziert „Original Sturzwurst“, „Bratwürstchen“, „Pfefferbeißer“, „Geschnetz“, „Knobikracher“ und zur Weihnachtszeit sogar einen Rollbraten mit Gemüsefüllung, den „Seitansbraten“ – alles vegan! Aber warum sollen vegane Produkte eigentlich meist nach Fleisch schmecken und wie Fleisch aussehen? „Ich mag ja den Geschmack von Fleisch. Ich möchte es nur aus ökologischen und Tierschutzgründen nicht essen. Und was die Form angeht: Warum sollte ich mir Würfel auf den Grill legen, wenn Würstchen doch viel praktischer sind?“
Und was ist so drin in der „Wurst“ ohne Fleisch? In der „Original Sturzwurst“ unter anderem Paprika, Sojasauce, Senf, Chilli und Knoblauch. Ideen für neue Mischungen hat Chrischn mehr als genug. Nur die Zeit, die fehlt manchmal. „So eine Produktentwicklung, die kostet schon mal einen ganzen Tag. In der Zeit kann ich dann eben nicht für den Verkauf produzieren und Waren ausfahren.“ Denn das macht bei den Flensburger Seitanisten nach wie vor der Chef persönlich. Eine echte Ein-Mann-Manufaktur eben, deren Produkte inzwischen nicht nur in Bioläden und über Food-Kooperationen verkauft werden, sondern auch bei einigen Supermärkten in den Regalen liegen – hauptsächlich in Flensburg, aber zum Beispiel auch in Hamburg und Berlin. „Ich kenne jede*n meiner Kund*innen persönlich.“
Auch im Laden selbst wird natürlich verkauft. Geplant ist dort – neben der Produktion – auch noch ein kleiner Grill. Ein Tresen, eine Sitzecke… die ersten Schritte für den Umbau sind schon zu sehen. Und auch in der Küche laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren: „Drei neue Sorten haben ich aktuell in der Pipeline. Die sollen zur nächsten Grillsaison raus.“
Ursprünglich hatte Chrischn mit Lebensmitteln übrigens „nichts am Hut“. Er hat vorher in einem Verwaltungsjob gearbeitet. „Aber ich bin ein furchtbarer Angestellter. Ich wusste schon immer, dass ich selbständig sein will. Ich brauche nicht viel, und ich kann was!“ Und was er kann, schmeckt richtig lecker!
