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Erzählcafé: Raum für Erinnerungen

  • 31. März 2022
  • Von Imke
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Erzählcafé: Raum für Erinnerungen

Wie war das eigentlich damals – in den 40ern, 50ern, 60ern? Wie wurde gespielt, gekocht, Urlaub gemacht? Mal ehrlich: Viele von uns wissen kaum etwas über den Alltag der Eltern- und Großelterngeneration. Ich habe Glück: Meine Eltern haben viel aufgeschrieben. Es sind viele Geschichten dabei, die die Zeit lebendig werden lassen. Berührende Geschichten, lustige Geschichten, traurige Geschichten – und jede Menge Erfahrungswissen, das durch diese Geschichten in die Gegenwart herübergerettet wird.

Als der SBV in Flensburg die Idee hatte, ein Erzählcafé zu starten, war ich deswegen gleich gern mit dabei. Nach einem Pilottreffen Ende vergangenen Jahres haben wir uns Mitte März zu einer zweiten Runde getroffen. Zehn  Menschen sind gekommen. Die Jüngste war Jahrgang 1966, der älteste Jahrgang 1936. Auf den Tischen standen Kaffee und Kuchen und los ging es…

Erzählcafés sind übrigens eine Form der Biographie-Arbeit. Im Mittelpunkt stehen die Lebensgeschichten und Erfahrungen der Teilnehmenden. Jedes Treffen steht dabei in der Regel unter einem bestimmten Thema.

Unser Thema für das erste Treffen nach der Generalprobe: Spielen. Zur Vorbereitung hatte ich ein paar Spiele und Spielzeug aus meiner eigenen Sammlung ausgekramt: einen Zauberwürfel (Ich verstehe bis heute nicht, wie das funktionieren soll.), eine Holzschachtel mit Dominosteinen, meine erstes Memory und das Spiel “Fang den Hut“ – für mich ein echter Klassiker. Mein „Denk-Fix“ habe ich leider vergeblich gesucht. Ich habe es wohl doch irgendwann einmal aussortiert. Vielleicht kennt es ja noch jemand von euch? Auf dem Spielekarton war ein Mann mit wenig Haaren und einer dicken Brille, der sich denkend am Kopf kratzt und an die Nase fasst…

Mein Kollege Thomas Jüngling vom SBV hatte im Internet zu Spielen aus den 50er und 60er Jahren recherchiert, und sogar die Teilnehmenden haben – neben ihren zahlreichen Geschichten – ein paar „Beweisstücke“ aus Ihrer Kindheit mitgebracht. Fotos wurden rumgereicht, auf unserem kleinen Ausstellungstisch stand ein kompletter Kinder-Blechherd – mit Braten im Ofen! Jemand hatte eine Tüte mit sogenannten Margarinefiguren mitgebracht. Das waren kleine Werbegeschenke aus Margarine- oder Ersatzkaffeepackungen. Auch zwei Schildkröt-Puppen saßen mit in der Runde im 360°-Gemeinschaftshaus des SBV.

Fast zwei Stunden lang haben alle erzählt, von den Streichen, die sie gespielt haben, vom Federballspiel auf den autoleeren Straßen, den Rodelwintern, der vielen Zeit, die sie spielend draußen verbracht haben und ihren kreativen Spielideen. Spielzeug gab es kaum. Fast alles wurde selbst gemacht. Sogar die Murmeln waren anfangs aus Lehm selbst gerollt, bevor es die bunten Glasmurmeln gab. Aus Fischdosen wurden Autos und aus Zigarettenschachtel-Vorderseiten Spielkarten gebastelt.

Dieser Kinderherd aus Blech hat die Jahre gut überstanden – samt „Braten“.

Alle haben mitgemacht. Alle haben ihre ganz persönlichen Geschichten geteilt. Ich fühlte mich wie mitten in einem lebendigen Roman. Und was für ein Erfahrungsschatz! Ich glaube, am meisten hat mich beeindruckt, wie kreativ die Kinder damals waren. Einfach aus dem, was da ist, was zu machen – das konnten sie richtig gut! Da könnten wir uns einiges abgucken. Hier in Flensburg lebten zudem viele Flüchtlinge aus Pommern und Ostpreußen. „Wir haben immer den Kontakt zu den Flüchtlingen gesucht. Wir waren neugierig. Die kamen ja mit anderen Spielen“, berichtet einer der Teilnehmer.

Wäre doch schade, wenn all diese Erfahrungen verloren gingen. Oder? Vielleicht habt ihr ja auch Lust, ein Erzählcafé zu starten. Wir machen auf jeden Fall weiter. Thema der nächsten Runde: Mobilität. Ich habe schon gehört, dass einige Kinder damals durch die Förde geschwommen sind. Von einer Seite rüber auf die andere. Und den ersten kleinen Film über die alte Straßenbahn in Flensburg habe ich auch schon gesehen…

Imke

Moin, mit Jahrgang 1972 bin ich die „Seniorin“ in der Neuen Etage und fühle mich in dieser besonderen WG pudelwohl. Geboren in Bad Oeynhausen (Nordrhein-Westfalen) habe ich mich schon während meines Zeitungsvolontariats in den Norden verliebt. Nach ein paar Umwegen über Köln, Bamberg, Bayreuth und Oldenburg (Nds.) bin ich 2014 samt Mann und Hund (wieder) in Schleswig-Holstein angekommen. Inzwischen leben wir in Harrislee, einer Gemeinde direkt an der dänischen Grenze und nur einen Katzensprung von Flensburg entfernt. Wenn ich nicht am Schreibtisch sitze, gehe ich am liebsten direkt vor der Haustür zu Fuß auf Entdeckungstouren oder powere mich im Kajak auf der Förde aus.

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