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Rummelpott, Biikebrennen, Ringreiten: Über Traditionen und Bräuche in Schleswig-Holstein

  • 27. Januar 2019
  • Von Deichdeern
  • 2 Kommentare
Rummelpott, Biikebrennen, Ringreiten: Über Traditionen und Bräuche in Schleswig-Holstein

Moin leeve Lüüd!

Mein Name ist Julia und ich dies ist mein erster Blogbeitrag, den ich für Neue Etage schreiben darf. Ist das aufregend! Wie aufregend? Nunja, stellt euch vor, Ringreiten und Rummelpott laufen fallen auf einen Tag. Hah! So, damit sind wir auch schon beim Thema: Traditionen und Brauchtümer in Schleswig-Holstein.

Biikebrennen

Wir haben Ende Januar. Das bedeutet, wir befinden uns grad zwischen zwei großen Tradtionsevents hier bei mir zuhause an der nordfriesischen Nordseeküste. Ich habe grad die gehaltvollen Pförtchen vom Rummelpott an Silvester verdaut, da steht auch schon das nächste Happening vor der Tür: Biikebrennen am 21. Februar. Für Neu-Nordfriesen könnte man glauben, es sei die nordfriesische Antwort auf das schwedische Knut. Das stimmt allerdings nicht ganz, denn neben den Tannenbäumen brennt noch allerhand Buschwerk von den Knicks. Der Dauerfrost spielt uns grad in die Karten, so dass die Feldränder befahren werden können, um das geschnittene Knickgut von der örtlichen Holzmafia einzusammeln. Biike ist allerdings mehr als nur ein Feuerchen bei dem sich die Nachbarschaft auf einen Punsch trifft. Biike ist Tradition pur und seit 2014 sogar immaterielles Weltkulturerbe. Sowohl bei Einheimischen als auch bei Touristen ist es gleichermaßen beliebt, in langer Elli ums Feuer zu stehen und zu plauschen.

Warum man den ganzen Zampano veranstaltet, darüber ranken sich viele Legenden. Als Nordfriesin erzähle ich euch die, die ich am schönsten finde und die ich auch im letzten Jahr beim Biike-Empfang des Friesischen Vereins gehört habe: Die Legende besagt, dass die Biike in heidnische Zeiten zurückgeht. Sie diente als Frühlingsfeuer gegen böse Geister und zum Schutz der Saat. Solche Feuer sind auch in vielen anderen Regionen üblich. Das Wort „Biike“ ist übrigens Sylter Friesisch und bedeutet Zeichen.

Biikebrennen ist in Nordfriesland Tradition.

Biikebrennen – Mit diesem jahrhundertalten Brauch werden alljährlich am 21. Februar an der nordfriesischen Nordseeküste die Wintergeister vertrieben. Foto: pixabay

Ringreiten

Regel Nummer 1: Mach dich niemals nie über das Ringreiten lustig. Ringreiten ist alles in Nordfriesland und noch heiliger als Biikebrennen. Alles, was zwischen 2 und 72 Jahre alt ist und sich irgendwie auf dem Zossen halten kann, ist dabei. Die meisten leihen sich für den Tag ein Pferd aus. Ich hab das im vergangenen Jahr auch gemacht. Was für eine Gaudi. Morgens den König des Vorjahres abholen. Colaschorle zum Frühstück – dazu gab es alte Ringreiterlieder. Muss man erlebt haben. Den gesamten Beitrag lest ihr hier.

Beim Ringreiten ist größtes Geschick gefragt. Es gilt hoch zu Ross mit einer Lanze einen kleinen Metallring aufzuspießen, der zwischen zwei Pfählen an einer Schnur hängt. Als wäre das noch nicht schwierig genug, wird der Ring im Laufe des Wettbewerbs immer kleiner. Dabei wird auf Schapptüch (plattdeutsches Wort für gute Kleidung) großen Wert gelegt. Wie bei der Feuerwehr oder der Gilde haben die Ringreiter auch eine Uniform. Und ja, das können auch mal ausrangierte Polizeijacken von 2005 sein. Hauptsache einheitlich. Am Ende nach 30 Durchgängen schwanken dann alle zu Santianos „Hoch im Norden weht ein rauer Wind“ und klatschen mehr oder weniger im Takt zur Ehrengalopprunde der Ringreiter. Anschließend werden die Pferde versorgt und heimgebracht. Gegen 19 Uhr  trifft man sich frischgeduscht wieder in der Schänke ein zum Ringreiterball. Colaschorle und Italienische Sehnsucht runden den Tag ab.

Ringreiten – Nordfriesischer Volkssport für Alt und Jung. Bernhard Ohlsen, hier links, hat den Galgen eins fest im Griff. Ihm entgeht nichts.

Klootstock-Springen

Klootstockspringen erinnert ein wenig an Stabhochsprung. Der drei bis vier Meter lange Stock war früher das wichtigste Nahverkehrsmittel der Westküste. Der Klootstock wurde einst von den Bauern in Gräben, Grüppen und Wettern gestoßen, um diese mit Schwung zu überwinden und so trockenen Fußes am schnellsten vorwärts zu kommen. Mittlerweile dient es eher als Touristenattraktion. Kleiner Funfact: In Holland ist Klootstockspringen sogar anerkannter Leistungssport.  Doch Obacht, wer jetzt schmunzelt. In Schleswig-Holstein haben wir auch Leistungssportarten, die andere belächeln. Boßeln zum Beispiel.

Boßeln

Ziel beim Boßeln ist es, eine Kugel mit möglichst wenigen Würfen über eine festgelegte Strecke zu werfen. Boßeln wird in unterschiedlichen Varianten auf freien Flächen (Feldern, Wiesen), öffentlichen Straßen und befestigten Wegen gespielt. Es handelt sich um eine Mannschaftssportart, die nicht zu belächeln ist und selbst von Extra 3 schon einmal portraitiert wurde. Hah!

Rummelpottlaufen

An Silvester ziehen die Kinder und Erwachsenen geschminkt und bunt verkleidet durch die Straßen und singen das Lied “Fru mook de dör op, de Rummelpott will rin, hau de Katt den Schwanz aff, hau em nich to lang aff, lot’n lütten Stummel stohn denn wie wüllt noch wieder gohn.” Zugegeben, der Text ist schon äußerst gewöhnungsbedürftig, vielleicht ist daher der Urheber unbekannt. Der Rummelpott klingelt an den Haustüren, um dort um etwas Süßes zu bitten. Es ist sowas wie an Halloween – nur mit Tradition und ohne Gruseln. Die Botschaft des ganzen ist aber ähnlich. Der Rummelpott macht Krach und verteibt so die bösen Geister aus der Silvesternacht. Als Belohnung für den plattdeutschen Singsang gibt es häufig traditionell Pförtchen an den Haustüren. Oft aber auch Mandarinen oder etwas zum Naschen. Alles, was über 1,50m ist, kriegt Schnaps. Wenn’s gut läuft: Fieser Friese. Wenn’s schlecht läuft: Irgendwas Angebrochenes von 1995 ausm Keller (gab es meistens schon das Jahr davor) – oder ganz übel: Etwas ohne Etikett. Bei Letzterem würde ich mich schon mal abmelden für den Rest des Jahres.

Ihr Lieben, das war mein erster Beitrag in der neuen Etage. Ich hoffe, ihr fühlt euch unterhalten. Wenn ja, dann schaut gerne im nächsten Monat wieder rein. Dann darf ich wieder über Schönes vom platten Land schreiben.

Bis dahin, frische Grüße
eure Deichdeern Julia

 

 

 

 

Deichdeern

Moin, ich bin Julia! Ich lebe mit meiner Familie im Herzen Nordfrieslands und schreibe seit 2015 als Deichdeern auf meinem gleichnamingen Blog über alles, was mein Landherz höher schlagen lässt. Ich mag den Blick über den eignen Tellerrand - pardon Deich - und nehme euch deshalb gern mit auf einen Entdeckungstörn durchs heimische Gewässer, unserem schönen Schleswig-Holstein. Mein Schreibstil und mein Charakter sind sich sehr ähnlich: Authentisch. Ehrlich. Norddeutsch geradeaus. Ohne viel Schnickschnack. Also, Leinen los!

2 Comments
  • Johanna
    28. Januar 2019

    Hallo Julia, lieben Dank für deinen Bericht aus Nordfriesland. Dass sich die Bräuche im Vergleich zu Dithmarschen so stark unterscheiden, habe ich gar nicht gewusst. Bei uns wird Ringreiten weniger aufwändig mit einem Ringstecher betrieben, welcher lediglich handflächengroß ist. De Rummelpott goht bi uns aver ook um.

  • Frisia Coast Trail
    30. Januar 2019

    So nice to read. We wrote in a way a similar blog post on our site about the ‚Bräuche‘ of the Mid-Frisians in the Netherlands. Here the link and hope you like it. Check what we have in common, incl Klootstock-Springen!

    Your site doesn’t allow a direct link to copy in his message, but search the internet with „hip and happening frisia coast trail“ and you’ll find it

    Best!

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