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Meine Frau hat jetzt einen eReader. Seufz! Das hat mich als Bücher-Fundi erst einmal erschauern lassen. In meiner Welt sind Bücher aus Papier. Ich hänge gern in Antiquariaten rum – zum Stöbern, Blättern und auch weil mir dieser typische, ein bisschen muffige Buch-Geruch dort gefällt. Aber jetzt scheint der eReader – in unserem Fall: ein Kindle Paperwhite – auch die letzte analoge Bastion in einer digitalisierten Welt einzunehmen. Oder ist das vielleicht alles doch gar nicht so toll mit den digitalen Büchern? Ich hab’ mir den Kindle meiner Frau geschnappt und es getestet.
Versuchsanordnung
Eigentlich wollte ich klassische Bücher mit dem Kindle vergleichen. Aber da Amazon eine kostenlose Lese-App für PC, Android und iOS anbietet und man als Amazon-Kunde die Möglichkeit hat, eine Familienbibliothek anzulegen, kommt noch ein weiteres Gerät ins Spiel: mein iPad mini. Familienbibliothek bedeutet, dass man zwei Amazon-Kundenkonten miteinander verknüpfen und die dort gekauften eBooks teilen kann. Ich habe also die Kindle Lese-App auf meinem iPad installiert und kann jetzt die eBooks meiner Frau lesen – auch ohne einen zusätzlichen eReader zu besitzen. Umgekehrt funktioniert das natürlich auch: Wenn ich mir über die App ein eBook kaufe, ist das auch für meine Frau sicht- und lesbar.
Leseerlebnis
War ja klar, dass ich mit dieser alten Leier der Fortschritts-Bremser anfange, aber ich finde: Ein Buch fasst sich einfach gut an und macht das Lesen zu einer sinnlichen Erfahrung, die über das reine Erfassen des Inhalts hinausgeht: Ein schön gestaltetes Cover, die Haptik des Umschlags, die Papierqualität, das Geräusch beim Umblätter – das gehört alles irgendwie dazu. Mit einem eReader muss ich mich von diesem Teil des Lesererlebnisses verabschieden. Lesen wirkt auf mich damit irgendwie … steriler. Das gleiche gilt auch für das iPad.
Vorteil: Buch
Transport
Was habe ich auf längeren Urlaubsreisen schon für Mengen an Büchern mitgeschleppt. Das hat bei einigen Flügen sogar dazu geführt, dass ich (aufgrund der Gewichtsbegrenzung) lieber Kleidung zu Hause gelassen habe, als auf einen der sechs Wälzer zu verzichten, die ich im Urlaub unbedingt lesen wollte. Mit dem Kindle oder dem iPad ist das kein Problem mehr: Ich habe tausende von Büchern immer verfügbar und kann mit Zugang zu einem WLAN auch unterwegs neue herunterladen.
Vorteil: Kindle und iPad
Bedienbarkeit
Naja, ein Buch ist eben ein Buch. Und obwohl auch der Kindle und die App auf dem iPad keine hochkomplexen Angelegenheiten sind, muss man sich doch erst ein bisschen reinfummeln. Wenn das einmal geschafft ist, hält man dafür auch alle Teile von Game of Thrones locker in der Hand – und zwar in einer. Der Kindle wiegt etwas über 200 Gramm, das iPad etwas über 300 Gramm. Damit kann ich den Kindle auch über einen längeren Zeitraum angenehm in einer Hand halten. Beim iPad wird mir das aufgrund des höheren Gewichts nach einiger Zeit unangenehm. Bücher aufgeschlagen mit einer Hand so zu halten, das ich bequem darin lesen kann, habe ich persönlich noch nie hingekriegt.
Unentschieden
Lesbarkeit
Wer Bücher lesen will, braucht Licht. Dank des beleuchteten Bildschirms ist das mit dem iPad und (je nach Modell) mit dem Kindle auch ohne externe Lichtquelle möglich. Wenn man (zum Beispiel im Urlaub) mit mehreren Personen in einem Zimmer oder Zelt schläft, kann man also auch nachts noch ein paar Seiten lesen, ohne die anderen zu stören. Auch am Tag gibt’s mit dem eReader kein Problem: Sogar bei direkter Sonneneinstrahlung lässt es sich auf dem entspiegelten Display wunderbar lesen. Das funktioniert beim iPad leider weniger gut.
Vorteil: Kindle
Geschwindigkeit
Hier läuft das Buch außer Konkurrenz. Und bei den digitalen Geräten hat das iPad klare Vorteile: Sowohl Blättern als auch das Nachschlagen bestimmter Begriffe läuft flüssig und ohne Verzögerung. Wenn man sich an diese Bedien-Geschwindigkeit erst einmal gewöhnt hat, dann nervt der eReader schnell mit seiner Langsamkeit. Umblättern geht zwar noch flott, aber wenn ich ein Wort nachschlagen will, dauert’s schon mal zwei Sekunden, bis sich das entsprechende Menü öffnet. Ich weiß: Digitale First World Problems. Aber so ist es halt.
Vorteil: iPad
Funktionen
Zugegeben: Hier hat das Buch keine Chance. Man kann darin zwar Passagen unterstreichen, Eselsohren als Lesezeichen hineinknicken oder es nach dem Lesen weitergeben. Das digitale Lesen bietet aber eine Reihe ganz neuer Möglichkeiten. Man kann Lesezeichen und Notizen einfügen und einzelne Sätze oder ganze Passagen per Mail, Facebook oder Twitter mit anderen teilen. Darüber hinaus können Schriftart, Schriftgröße und Helligkeit genau an den persönlichen Geschmack angepasst werden. Mein Favorit sind allerdings die integrierten Wörterbücher: Musste ich früher bei unbekannten Vokabeln in englischen Büchern entweder mühsam den Langenscheidt wälzen oder im Netz nachsehen, reicht heute ein Fingertipp auf das fragliche Wort und ich bekomme nicht nur die Übersetzung, sondern auf Wunsch auch noch den entsprechenden Wikipedia-Eintrag angezeigt.
Vorteil: Kindle und iPad
Strombedarf
Schon mal ein Buch aufgeladen? Eben. Laut Verkäufer soll der Akku des Kindle bei einer Stunde Lesezeit pro Tag etwa drei Wochen über die Runden kommen, ohne ans Stromnetz zu müssen. Meine Frau lädt das Gerät etwa einmal pro Woche auf und wir haben es auch bei mehreren Lesestunden pro Tag noch nicht geschafft, den Kindle an seine Akku-Grenze zu bringen. Das geht beim iPad schon deutlich schneller. Das muss ich täglich laden. Was aber auch daran liegt, dass ich es nicht nur zum Lesen, sondern auch noch für 763 andere Aufgaben verwende. Mindestens.
Vorteil: Buch
Fazit:
Wie so vieles, ist auch die Entscheidung zwischen Buch, Kindle und iPad als Lese-Medium letztendlich Geschmackssache. Obwohl mich der Kindle grundsätzlich schon überzeugt hat, bleibe ich dem guten alten Buch treu – jedenfalls zu Hause. Für den Urlaub oder generell für unterwegs finde ich die Lösung der Kindle Lese-App auf meinem (im Vergleich zum Kindle deutlich schnelleren) iPad top: Tausende von Büchern inklusive Wörterbuch ohne zusätzlichen Platzbedarf immer dabei zu haben, ist schon ein immenser Vorteil. Dafür darf’s im Urlaub dann auch mal zwei Wochen lang nicht nach Buch riechen.
Ich bin Henning, studierter Anglist und freiberuflicher Texter. Ich lebe in Kiel, bin Ehemann von Anne, Vater von Moritz und Herrchen von Victor. Ich mag Listen, hasse Chaos und kann am besten entspannen, wenn das Meer rauscht, der Wind weht und die Leute nicht so viele Worte verschwenden.
Nina
29. Juli 2017Lieber Henning,
ein schöner Vergleich mit allen Facetten! Klein wenig schade finde ich, dass du (vielleicht hab ichs überlesen) gar nicht darauf hinweist, dass diese Vorzüge (zB auch die App) keine speziellen Features des Kindle sind, sondern andere eBookReader das alles auch bieten und nicht nur Amazon das alles kann. Klar, du hast das getestet, was dir in die Finger gekommen ist! Total verständlich! Aber ein „neutraler“ Vergleich Buch-Reader-Tablet hätte mir noch viiiel mehr gefallen- und wahrscheinlich allen mitlesenden Buchhändler auch 😉 Ansonsten macht weiter so mit eurem Blog! Liebe Grüße Nina
Henning
30. Juli 2017Hallo Nina,
danke für die Blumen und den Hinweis. Du hast natürlich völlig Recht: Da ich mich auf die Plattformen konzentriert habe, die ich selbst verwende und mit deren Funktionen ich mich auskenne, kommen Alternativen in diesem Beitrag tatsächlich nicht vor.
Mir ging es beim Testen auch eher um die generelle Erfahrung mit den drei Medien – ganz unabhängig von Anbieter und Marke.
Ich habe mir das Thema aber notiert und vielleicht bietet sich in Zukunft ja nochmal die Möglichkeit, hier im Blog auch eReader anderer Anbieter vorzustellen. Generell kann man ja gar nicht genug zum Lesen animieren …
Viele Grüße
Henning