Im Supermarkt meines Vertrauens formiert sich eine kleine, aber entschlossene Zelle des Widerstands. Wir nicken uns verschwörerisch zu, wenn wir wieder einmal in einer ewig langen Schlange an der einzigen geöffneten regulären Kasse stehen, an der ein Mensch hinter dem Laufband sitzt, während zwei Meter weiter an den brandneuen „Self-Checkouts“ gähnende Leere herrscht.
Durch eine größere Umbaumaßnahme wollte man wohl auch technisch für die schöne neue Einkaufswelt gerüstet sein – unter anderem mit vier Selbstzahlerkassen, an denen die Kunden ihre Waren vor dem Bezahlen eigenhändig einscannen. Dieses Abwälzen einzelner Dienstleistungsschritte auf den Kunden hat mich schon genervt, als schwedische Möbelhäuser und mediterrane Pizza-und-Pasta-Ketten das für eine gute Idee hielten.
Erst dachte ich, es läge vielleicht an meinem Alter, dass mir diese ganze „Das-könnt-ihr-jetzt-mal-schön-selber-machen“-Masche so gegen den Strich geht. Schließlich gehöre ich noch zu einer Generation, die ganz selbstverständlich mit einem echten Menschen sprechen musste, wenn sie sich am Bahnhof eine Fahrkarte kaufen oder am Flughafen einchecken wollte.
Jetzt Achtung, Opa-erzählt-vom-Krieg-Alarm: Ich erinnere mich sogar noch an Zeiten, in denen man an einer Tankstelle von einem Tankwart begrüßt wurde, der das Auto betankt, Öl und Reifendruck gecheckt und vielleicht sogar noch die Scheiben sauber gemacht hat. Und das alles, ohne dass ich nachher einen albernen Smiley in die Hand gedrückt bekomme und – total freiwillig natürlich – um einen Euro angehauen werde.
Ich dachte, vielleicht machen es mir diese Erfahrungen besonders schwer mich an das ganze „Selbermachen“ zu gewöhnen: an Packstationen und an Überweisungsterminals, an Kontoauszugdruckern und in Restaurants, die für mich – trotz zugegebenermaßen schicker Aufmachung – nichts anderes als Kantinen sind. In denen muss man auch Schlangestehen und sein Essen von unterschiedlichen „Stationen“ selbst zum Platz balancieren. Ständig ist Gewusel um einen herum, irgendeiner am Tisch muss immer nochmal aufstehen, weil noch ein Getränk fehlt oder die Pilze auf der Pizza vergessen wurden.
Ich finde das alles ganz furchtbar, aber die Mehrheit sieht das offenbar völlig anders. Jedenfalls ist „Fast Casual Dining“ in der Gastronomie heute das heiße Ding – und Gastronomen würden dieses Konzept wohl kaum immer häufiger anbieten, wenn die Gäste es nicht annehmen würden.
Zum Glück erlebe ich das in meinem Supermarkt anders. Hier kann ich weder Begeisterung noch Akzeptanz für den Self-Checkout erkennen. Nachdem man die neuen Selbstzahlerkassen erst sehr positiv, tapfer und fröhlich zu vermarkten versuchte („Sie können auch hier bezahlen.“; „Hier drüben müssen Sie nicht warten.“), ist beim Personal mittlerweile dezente Resignation zu spüren. Wenn die Schlange an der einzigen regulären Kasse irgendwann durch Getränke- und Drogerieabteilung fast bis zur Frischfleischtheke reicht, wird ohne viel Aufhebens einfach eine weitere geöffnet. Dann nicken wir uns wissend zu. Es gibt Hoffnung.
Ich bin Henning, studierter Anglist und freiberuflicher Texter. Ich lebe in Kiel, bin Ehemann von Anne, Vater von Moritz und Herrchen von Victor. Ich mag Listen, hasse Chaos und kann am besten entspannen, wenn das Meer rauscht, der Wind weht und die Leute nicht so viele Worte verschwenden.