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Solidarische Landwirtschaft

  • 5. Februar 2023
  • Von Imke
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Solidarische Landwirtschaft

Anbauplanung, zweimal wöchentlich Ernte auf dem Feld und die ersten Aussaaten – auf dem Gärtnerhof Wanderup in der Nähe zu Flensburg gibt es in den Wintermonaten zwar weniger, aber trotzdem immer genug zu tun. 2016 hat Hendrik Henk angefangen, den Hof aufzubauen. Von Anfang an stand für den heute 39-Jährigen fest: Sein Hof soll nach dem Prinzip der Solidarischen Landwirtschaft (Solawi) bewirtschaftet werden.

Solawi, das heißt: Mitglieder finanzieren den Hof und die festen Arbeitskräfte und teilen sich dafür die Ernte, die sie sich in einem Projektraum in der Flensburger Innenstadt oder direkt am Hof selbst abholen. Die Anbauplanung ist an der Mitgliederzahl ausgerichtet. „Dadurch produzieren wir absolut bedarfsorientiert. Ein guter Beitrag gegen die Lebensmittelverschwendung!“

Als ich Hendrik auf seinem Hof besuche, ist er – eher unfreiwillig – größtenteils zu Büroarbeit gezwungen. Zwei Finger seiner linken Hand sind dick verbunden. „Ich habe mir mit der Axt in den Finger gehauen. Das musste genäht werden.“ Selbst einem gelernten Holzbildhauer wie ihm kann so etwas passieren. Gut, dass er Hilfe auf dem Hof hat. Neben Gesellin Lela sind Praktikantin Sandra und der Auszubildende Timm im Einsatz.

Sandra ist selbst Solawi-Mitglied und möchte den Hof in den kommenden sechs Monaten intensiver kennenlernen. Jedes Mitglied kann aber ohnehin jederzeit auf dem Hof mit anpacken. Besonders an den Erntetagen sind helfende Hände willkommen. Dazu gibt es Aufrufe zu Hofeinsätzen. Im Sommer werden die aber deutlich besser angenommen als in den kalten Monaten. Kein Wunder: Ich bin erst seit einer halben Stunde da und meine Finger sind schon eiskalt. Sandras Tipp: „Warmarbeiten!“

Zusammen mit Timm steht sie am Pflanztisch, vor sich sogenannte Quickpots. Neben sich eine Schubkarre mit Erde. Quickpots sind Anzuchtpaletten, also lauter Mini-Blumentöpfe an einem Stück. In die Quickpots kommt erst Erde und dann je Töpfchen drei Samen. Aus diesen Samen wird einmal lecker zarter Feldsalat.

Angebaut werden alle Salate, Kräuter, Obst und Gemüse aus Wanderup nach den strengen Demeter-Richtlinien – ein anerkanntes Qualitätssiegel. „Wir legen zum Beispiel großen Wert auf Bodenaufbau und -pflege.“ Das heißt auch, dass Zwischenfrüchte angebaut werden. Aktuell bereiten Ackerbohne und Winterroggen den Boden für die Frühjahrskulturen vor.

Im Gegensatz zu den meisten konventionellen Betrieben setzt Hendrik zudem auf den insgesamt fünf Hektar Feld und in den vier Folientunneln auf Sortenvielfalt. Gut für die Mitglieder, denn die kriegen das ganze Jahr über eine leckere Mischung tagesfrisch geernteter Lebensmittel mit nach Hause.

Hendrik hat die freie Ausbildung zum biologisch-dynamischen Gärtner gemacht und sechs Monate auf dem Bau gearbeitet – „Das hilft mir jetzt bei vielen Reparatur- und Bauarbeiten“. Dazu kommen zahlreiche Fortbildungen, zum Beispiel zu Humusaufbau. Er zeigt mir die drei große Kompostmieten auf einem der hinteren Felder – große, längliche Hügel, abgedeckt mit einem Vließ. Darunter herrlich lockerer Humus. Seit 2016 „füttert“ der Gärtner seinen Boden mit selbst produziertem Humus. Außerdem hat er eine „Mistkooperative“ mit einem Landwirt aus der Umgebung.

Beim Gang über den Hof erwischt wohl jede*r früher oder später ein Bullerbü-Gefühl – zumindest mich: Ein freilaufender bunter Hahn und einige Hühner scharren irgendwo zwischen den Folientunneln, eine sehr anhängliche und sehr süße Katze streicht um meine Beine, die Gefährte im Fuhrpark sehen aus wie aus einem alten Kinderfilm und nicht wie die riesigen Landmaschinen, die ich heute meist auf den Feldern in Aktion erlebe. Es gibt sogar schon einige große Arbeitsgeräte, die für den Einsatz mit Pferd gedacht sind – noch gibt es keines, aber die Planungen laufen.

So ganz Bullerbü ist es aber dann doch nicht. Ein nach dem Solawi-Konzept betriebener Hof bedeutet jede Menge Arbeit – und häufig nicht gerade einen üppigen Lohn. Denn das Einkommen ist eben auch von der Anzahl der Mitglieder abhängig. Die verpflichten sich jeweils für ein Gartenjahr und bestimmen den monatlichen Beitrag gemeinsam. „Jedes Mitglied gibt ein Angebot ab. Aus den Angeboten errechnen wir dann einen Richtwert. Wer etwas mehr geben kann und möchte, tut das. Wer weniger geben kann und möchte, auch“, erklärt Hendrik. In diesem Jahr muss Hendrik einige geplante Entwicklungsschritte zurückstellen, weil aufgrund der allgemein angespannten wirtschaftlichen Situation gleich mehrere Mitglieder gekündigt haben. Mit zwei neuen Abholstationen wollen er und seine Mitstreiter*innen nun neue Mitglieder von ihrer Art der nachhaltigen Landwirtschaft überzeugen. Auch über eine Gemeinnützigkeit denkt Hendrik nach …

Viel Arbeit, wenig Geld – für Hendrik stand trotzdem schon früh fest, dass eine Solawi genau sein Ding ist. In den Sommermonaten kommt er oft auf 60 bis 70 Wochenstunden. „So ein Hof ist ja kein Beruf. Das ist eine Lebensaufgabe. Oder Lifestyle.“

Mehr Infos: www.gaertnerhof-wanderup.de

Imke

Moin, mit Jahrgang 1972 bin ich die „Seniorin“ in der Neuen Etage und fühle mich in dieser besonderen WG pudelwohl. Geboren in Bad Oeynhausen (Nordrhein-Westfalen) habe ich mich schon während meines Zeitungsvolontariats in den Norden verliebt. Nach ein paar Umwegen über Köln, Bamberg, Bayreuth und Oldenburg (Nds.) bin ich 2014 samt Mann und Hund (wieder) in Schleswig-Holstein angekommen. Inzwischen leben wir in Harrislee, einer Gemeinde direkt an der dänischen Grenze und nur einen Katzensprung von Flensburg entfernt. Wenn ich nicht am Schreibtisch sitze, gehe ich am liebsten direkt vor der Haustür zu Fuß auf Entdeckungstouren oder powere mich im Kajak auf der Förde aus.

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