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Vor ein paar Jahren überredete mich meine Freundin Andrea, für das Bergwaldprojekt mit in den Hunsrück zu fahren. Es ginge um die Renaturierung, also vor allem Wiedervernässung eines Moores. Das sei total spannend. Ich hatte eigentlich an ein Projekt in den Schweizer Alpen gedacht, aber gut. Andrea und ich sehen uns nicht sehr oft und bei der Aussicht, gemeinsam mit ihr erneut eine Woche lang etwas fürs Bergwaldprojekt zu machen, zögerte ich nicht lange und meldete mich an.
Es wurde eine der härtesten Wochen meines Lebens. Und eine der besten. Zusammen mit rund zwanzig anderen Freiwilligen zwischen 19 und 70 Jahren aus ganz Deutschland halfen wir den Profis dabei, einen Teil des Morbacher Hangmoors wieder fit zu machen. Problemdiagnose: Nicht das Alter von 4000 Jahren, sondern ausgetrocknet durch Bewirtschaftung. Ist ein Moor erstmal zerstört, kehrt sich das, was dieses Ökosystem besonders gut kann, ins Gegenteil. Statt Kohlenstoff zu binden, wird Kohlendioxid freigesetzt. Das dauert so lange, bis das Moor wieder intakt ist. Also sehr lange.
Die weltweite Leistung von Mooren als Kohlenstoffspeicher ist enorm. Laut NABU bilden sie zwar nur 3 % der Landfläche unserer Erde, speichern aber 30% des Klimagases Co2. Das ist doppelt so viel wie alle Wälder zusammen speichern können. Torf und Torfmoose wirken wie ein riesiger Schwamm. Als riesige Wasserspeicher wirken Moore darum positiv auf das Klima und den lokalen Wasserhaushalt bis hin zum Schutz vor Hochwasser. Außerdem gehören zu einem intakten Moor seltene Tier- und Pflanzenarten, die mit den extrem nassen und sauren Bedingungen gut zurechtkommen.
Ich weiß nicht mehr, wie viele Grassoden ich gestochen oder wie viele Schubkarren und Kiepen, gefüllt mit gehäckseltem Mulch, ich den langen Weg vom Basislager zur Baustelle der Spundwände gefahren oder wie viele Kubikmeter Erde und Schlamm ich ausgehoben habe. Aber ich weiß noch, wie stolz wir waren, als die erste Spundwand, die wir gebaut hatten, tatsächlich hielt. Die Spundwände sorgen dafür, dass weniger Wasser abfließt. Es entsteht vielmehr ein Rückstau und das ist gut für die Wiedervernässung des Moors. Denn nur, wenn es dauerhaft feucht genug ist, siedeln sich hier die für das Ökosystem notwendigen Torfmoose wieder an. Sie bilden verhältnismäßig viel Blattmasse, die nach dem Absterben im sauren Boden nicht komplett abgebaut wird, sondern sich dort ansammelt und allmählich zu Torf wandelt. Ohne Torf können Moorlandschaften weder entstehen noch erhalten bleiben. Bis „unser“ Moor wieder in Form ist, können Jahrhunderte vergehen. Eine Torfschicht wächst im Schneckentempo, jedes Jahr um gerade mal einen Millimeter. Aber ein Anfang ist gemacht.
Seit jener Woche im Hunsrück weiß ich auch, dass Torf in Gartenerde nichts zu suchen hat, sondern ins Moor gehört. Bis dahin hatte ich mir darüber nicht so viele Gedanken gemacht. Weil Torf so gut Wasser speichert, ist es als Inhaltsstoff von Pflanzerden bei Erwerbs- und Hobbygärtnern so beliebt. Mehr als drei Millionen Kubikmeter Torf landen jedes Jahr in privaten Balkon- und Gartenbeeten. Das sind 40% aller Torfprodukte, die verbraucht werden. Die anderen 60% gehen in den Erwerbsgartenbau. Torf gibt´s aber nur in Mooren, die trockengelegt werden, um an den begehrten Stoff ranzukommen. Auf diese Weise wurden in Europa bis jetzt fast zwei Drittel aller Moore zerstört.
Wenn Ihr das Moor schützen wollt, braucht ihr nicht extra eine Woche im Wald zu schuften (wobei das wirklich toll ist, Bergwaldprojekte gibts sogar bei uns im Norden). Fangt einfach an, nur noch torffreie Erde auf eurer kleinen Farm einzusetzen. Inzwischen gibt es verschiedene Sorten, die von mehr und mehr Fachmärkten und Bioläden geführt werden. Sogar bei Blume 2000 habe ich neulich stapelweise Tüten davon gesehen. Wer in der Nähe von Altenholz wohnt, findet bei der oar Biokompostierung mit den Produkten von Schreber´s Erde eine günstige Alternative. Ihr könnt eure torffreie Erde auch selbst mischen, falls Ihr viel davon braucht. Eine Anleitung gibt´s beim NABU. Ob Stauden, Salat oder Tomaten, die Pflanzen in meinem Balkongarten vermissen rein gar nichts.
Ich bin Susanne, Kieler Sprotte mit rheinischem Gen. Nach Stationen in Köln und auf Sylt lebe ich seit über zwanzig Jahren wieder in Kiel. Mittendrin, mit meinem Mann Martin – und tonnenweise Büchern. Sozialisiert als Wollsocke der ersten Generation traktierte ich schon als Dreizehnjährige meine Familie mit makrobiotischer Kost.