Es ist Freitag, 16:30 als ich mit meinem kleinen Auto auf en Parkplatz des Malteser Hilfsdienstes am Kieler Jägersberg einbiege. Ich darf heute eine Tour des Kieler Kältebusses begleiten und mir anschauen, wie das Team arbeitet. Das Projekt versorgt in den Wintermonaten Menschen, die auf der Straße leben an fünf Tagen der Woche mit warmem Essen, Kaffee und Tee, sowie Schlafsäcken, Decken und anderen Dingen, die dringend benötigt werden.
Während ich ankomme herrscht ordentlich Betrieb. Heute ist Spendentag und in der Dienststelle stapeln sich Berge von Schlafsäcken, Isomatten und anderen Dingen, die Menschen benötigen, die auf der Straße leben. An diesem Freitag ist besonders viel von den Kolleg*innen in Flensburg gekommen. Normalerweise sind es eher Privatpersonen, die Schlafsäcke, Wintermäntel oder Süßigkeiten abgeben. Manche von ihnen kaufen gezielt ein, was benötigt wird, andere Spenden, was bei ihnen ausgedient hat.
Alle Spenden werden vorab sortiert – Schlafsäcke werden platzsparend gefaltet, Isomatten aufgerollt und Kleidung sortiert. Im Keller der Dienststelle wird bereits alles für die heutige Tour vorbereitet. In der kleinen Küche steht ein großer Topf Linsensuppe auf dem Herd. Kaffee und Tee sind bereits gekocht und können eingeladen werden. Kim, die seit diesem Winter auf dem Kältebus mitfährt, zeigt mir währenddessen die Räumlichkeiten. Das Projekt wächst, seitdem es im Winter 2021 gegründet wurde, stetig. Und damit auch der Platzbedarf. „Wir brauchen hier unten dringend ein Lager.“, erklärt mir Kim, als wir einen Raum betreten. Große Regale – die wären perfekt. Sind aber finanziell zum jetzigen Zeitpunkt nicht drin, andere Ausgaben haben Priorität, da muss die Ordnung warten.
Das Projekt finanziert sich ausschließlich über Spenden. Sachspenden werden in der Regel direkt weitergegeben, von Geldspenden werden Konserven für die Verpflegung, sowie Einweggeschirr und Hygieneartikel gekauft. Das etwa 30-köpfige Team des Kältebusses ist ehrenamtlich unterwegs, etwa eine Schicht pro Woche machen die meisten von ihnen. „Das schöne an diesem Projekt ist, dass die Hilfe so direkt ankommt. Es ist eine sehr unkomplizierte Möglichkeit direkt zu helfen.“ erklärt mir Henriette Hirnstein, die das Projekt leitet und selbst bereits seit 15 Jahren Mitglied bei den Maltesern ist. Den Kältebus haben sie und ihre Kolleg*innen im letzten Winter gegründet, als es besonders kalt war und Hilfe dringend benötigt wurde. „Wir sind damals erstmal losgefahren und haben Ausschau nach Menschen gehalten, die unsere Hilfe brauchen könnten. In der ersten Nacht waren es nur ein paar Leute, doch dann haben sich die Neuigkeiten über den Kältebus verbreitet, wie ein Lauffeuer.“ erklärt sie mir. Inzwischen ist der Bus eine Institution in Kiel, pro Fahrt werden zwischen 20 und 40 Mahlzeiten ausgegeben.
Was ist ein Kältebus?
Kältebusse gibt es Deutschlandweit unter verschiedenen Trägerschaften und mit unterschiedlichen Schwerpunkten. In Kiel wird der Kältebus seit 2021 vom Malteser Hilfsdienst betrieben. Das Angebot richtet sich an Obdachlose und bedürftige Menschen. An fünf Tagen der Woche zwischen 18 und ca. 21 Uhr fährt das Team von November bis April durch Kiel und verteilt warme Decken, Schlafsäcke und Kleidung, Hygieneartikel, sowie warme Mahlzeiten und Getränke. In anderen Städten gibt es ähnliche Projekte, die Menschen z.T. auch in Notunterkünfte bringen oder sogar Duschmöglichkeiten anbieten.
Bevor es losgeht, wird der Bus beladen. Neben dem Essen und den warmen Getränken werden Isomatten, Decken, ein paar Mäntel, warme Socken und Hygieneartikel, wie Duschgel, Masken, Tampons und Binden eingepackt. Das heutige Team besteht aus vier Ehrenamtlichen. Ich selbst fahre in meinem eigenen Auto hinterher. An einigen der Stationen darf ich mitkommen und das Team begleiten, an anderen Stationen werde ich im Auto warten. So kann das Team die Obdachlosen versorgen ohne das ich störe. An diesen Orten werden die Menschen direkt an ihren Schlafplätzen versorgt – und wer möchte schon gern, dass plötzlich ein wildfremder Mensch vorbeikommt?
In der Regel fährt der Bus in einer Schicht ähnliche Stationen an, zusätzliche Orte, an denen Menschen Hilfe brauchen könnten, werden von Behörden und Privatpersonen an den Kältebus gemeldet, zum Beispiel wenn ein neues Lager entdeckt wird. Anrufe für den Kieler Kältebus gehen auf einer Mailbox ein. Hier kann auf Menschen aufmerksam gemacht werden, die möglicherweise eine Suppe oder warme Decke benötigen könnten. Da der Dienst nur in den Abendstunden besetzt ist gilt daher: in Situationen, in denen akut Hilfe benötigt wird, sollte auf jeden Fall der Rettungsdienst unter der 112 kontaktiert werden.
„Manche Menschen freuen sich sehr, wenn wir sie gezielt anfahren, andere lehnen unsere Hilfe dankend ab.“ erklärt mir Kim. „In der Regel freuen sich die Menschen aber sehr, wenn wir kommen.“ Gewalt oder ähnliches hat sie bisher nicht erlebt. Die meisten Menschen freuen sich in den kalten Monaten über die warme Suppe und den einfachen Zugang zu Schlafsäcken, Decken oder anderen Dingen.
Gegen 18 Uhr geht es auch schon los. Wir fahren durch das dunkle Kiel. Hier und da hält der Bus kurz an und liefert gezielt Suppe und was gerade noch so benötigt wird, an Einzelpersonen aus. Zum Schutz ihrer Privatsphäre dürfen ihre Standorte nicht genannt werden. Nach einer Tour durch den Kieler Norden steuern wir die Innenstadt an. Zusammen mit Kim und Henriette steige ich aus und wir laufen Standorte ab, an denen des öfteren Obdachlose anzutreffen sind. Viele von ihnen kennt das Team inzwischen mit Namen. Stammgäste sozusagen. Doch die Lager sind leer, die Menschen noch unterwegs. „Dann schauen wir hier einfach später nochmal vorbei.“ sagt sie und wir fahren weiter.
Ein Standort, an dem eigentlich immer was los ist, ist der Kieler Schützenpark. Kaum fährt der Bus vor und bereitet die Essensausgabe vor kommen schon die ersten Menschen. „Was gibt’s denn heute?„, fragt ein junger Mann. „Linsensuppe!“ tönt es aus dem Bus. Die Essensausgabe füllt sich. Etwa zehn Personen holen sich Suppe und Kaffee ab, bedanken sich und gehen wieder. Nach wenigen Minuten leert sich der Platz wieder und wir fahren weiter.
Nach ein paar kleineren Zwischenstopps erreichen wir den Kieler Vinetaplatz. Während die Kollegen am Bus bereits die Ausgabe vorbereiten begleite ich Kim und Henriette zur Bushaltestelle Karlstal. „Moin, wir wollten nur kurz Bescheid sagen, dass wir jetzt da sind!“ sagen sie zu einer Gruppe Menschen. „Was gibt’s denn heute?“ fragt eine Frau. „Linsensuppe!“ entgegnen Henriette und Kim. „Nee, das mag ich nicht so gern.“ sagt sie und bleibt sitzen. Ihr Sitznachbar hingegen ist begeistert. „Linsensuppe! Das ist gut. Ich komm gleich mal rüber!“
Das kurze, aber herzliche Gespräch nutzen Kim und Henriette kurz um zu fragen, was sonst noch so gebraucht wird und dann geht es schon weiter. Ein paar Meter die Straße runter treffen wir zwei alte Bekannte der beiden. Es ist das Paar, nach dem wir an der anderen Station Ausschau gehalten haben. Auch hier geben wir kurz Beschied, dass der Kältebus auf dem Vinetaplatz steht und gehen zurück.
Die Gründe dafür, dass die Menschen hier auf der Straße leben sind vielfältig. „Einerseits ist es so, dass manche in den Unterkünften schlechte Erfahrungen gemacht haben, wie zum Beispiel Diebstahl.“ erklärt mir Henriette. Für andere wiederum kommen die Unterkünfte nicht in Frage, weil Hunde dort nicht erlaubt sind oder weil Paare aufgrund der Geschlechtertrennung in den Kieler Unterkünften dort getrennt werden würden. Sie leben das ganze Jahr über auf der Straße. Das ist immer hart, doch die Pandemie hat die Situation für die Menschen noch einmal mehr verschärft – nicht nur gesundheitlich. „Viele Menschen, die sonst mal etwas Geld gegeben haben, haben schlichtweg kein Kleingeld mehr dabei, was sie geben könnten, weil alle nur noch mit Karte zahlen.“ erklärt mir Henriette.
Zurück am Bus hat sich bereits eine kleine Schlange gebildet. Einige Menschen holen sich nur kurz einen Kaffee und eine Suppe, andere bleiben auf ein kleines Gespräch. Ein junger Mann holt für sich und seine Mutter ein paar neue Sachen. Warme Socken, ein paar Hygieneartikel. Was mir auffällt: alle Menschen hier sind sehr, sehr bedacht darauf, was sie nehmen. Nur das nötigste wird mitgenommen. Und die Dankbarkeit ist riesengroß. Ein anderer Mann holt sich neben der Suppe noch einen neuen Schlafsack und etwas Duschgel ab. Was benötigt wird, schwankt regelmäßig. „Besonders wenn es viel Regnet werden häufiger neue Schlafsäcke benötigt. Die weichen einfach schnell durch und es gibt keine Möglichkeiten sie zu trocknen.“ erklärt mir Kim.
Nach etwa einer halben Stunde ist die Thermobox mit Suppe leer. Alle Portionen wurden ausgegeben. „Heute war echt viel los.“ stellt Henriette fest, während zusammengepackt wird. Am nächsten Tag werden sie wieder hier und an den anderen Orten Kiels sein, wo sie gebraucht werden.
Wer das Team bei der Arbeit unterstützen will, kann das auf verschiedenen Wegen tun.
Der Kältebus in Kiel ist erreichbar unter der 0170-1409210 und fährt Montags, Mittwochs, Freitags, Samstags und Sonntags in den Abendstunden zwischen 18 und 22 Uhr in Kiel unterwegs. Für größere Sachspenden oder bei Interesse an der ehrenamtlichen Unterstützung des Teams könnt ihr euch direkt an Henriette Hirnstein wenden. Die Mailadresse ist Henriette.hirnstein@malteser.org.
Ich bin Johanna und lebe im schönen Kiel. Ich bin ein in den frühen 90'ern geborenes Nordlicht und finde, dass es kaum einen schöneren Ort zum Leben gibt, als unser Bundesland zwischen den zwei Meeren. Ich liebe es mir an der See den Wind um die Nase pusten zu lassen – und das bei jedem Wetter. Ansonsten schlägt mein Herz für schönes Wohnen. Ich liebe gutes Design und baue auch gern mal das ein oder andere Möbelstück selbst.
Herzlich willkommen in der Neuen Etage. Die Aussicht hier oben ist top, alles riecht noch ganz frisch und es gibt regelmäßig etwas Neues zu entdecken.