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Gemeinschaft per Smartphone

  • 24. März 2021
  • Von Imke
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Gemeinschaft per Smartphone

Social Distancing – das geht schon irgendwie, dachte ich: Wir leben zu zweit mit Hund, haben Platz, keine Kinder, die im Home Schooling sind, und ich puzzle ohnehin ganz gern allein vor mich hin. So langsam merke ich aber doch, dass etwas fehlt. Lebendige, vertraute Gemeinschaft trotz Social Distancing – (wie) geht das?

Ein Ort, an dem Gemeinschaft pur gelebt wird, ist für mich das SBV-Gemeinschaftshaus 360°. Neben den konkreten Dingen, die man dort gemeinsam unternimmt – singen, fotografieren, Bingo spielen, basteln, Gymnastik und vieles mehr – steht immer eines ganz oben: einfach mal rauskommen und schnacken. Gar nicht so einfach im Moment. Besonders, da viele Nutzer des 360° bereits etwas älter sind und besonders die neuen Medien oft (noch) nicht zu ihrem Alltag gehörten.

Einige Gruppen haben Lösungen gefunden, und ich habe mich bei ihnen als Gast eingeladen. Zum Beispiel bei „Foto und Fantasie“, einem dauerhaften Fotoworkshop mit Aniko Kürthy und Uwe Wolkenhauer. Die phantasiebegabten Fotograf*innen sind seitdem für die meisten Nachrichten auf meinem Smartphone verantwortlich.

Seit die gemeinsame Motivsuche und Ergebnisbesprechung wegen der Kontaktbeschränkungen nicht mehr möglich ist, geht jede und jeder für sich auf Fototour und teilt die Ergebnisse dann über die eingerichtete Fotogruppe auf WhatsApp. Jeden Monat wird ein Thema vorgegeben. Im März sollen „Frühlingsfarben“ im Mittelpunkt stehen.

Auf meinem Smartphone ploppt der Frühling im Minutentakt auf, z. B. Frühling im Fokus von Josef Cordroch

… und noch näher gerückt von Aniko Kürthy.

Natürlich mache ich auch selbst mit, z. B. mit meinen Weidenkätzchen vor blauem Himmel.

Jeden Tag „plingen“ neue Fotos die Frühlingsstimmung auf mein Handy und nehmen mich zumindest virtuell mit auf die Fotoausflüge der anderen.

Natürlich werden nicht nur Bilder geteilt. Es wird auch eifrig kommentiert. „Super Baum!“, lese ich zum Beispiel unter einem Stillleben. „Tipp: Unten noch etwas anschneiden.“ „Fast ein Aquarell“ steht unter einem besonders malerischen Wolkenbild.

Erwischt! Heinz Falkowski hat eine eindeutige Frühlingsbotin „bei der Arbeit“ vor die Linse bekommen (Bildausschnitt)

Und auch Frühlingsgefühle machen den Frühling bunter! Foto von Aniela Winterstein.

Nebenbei erfahre ich, dass eine Blume aussehen kann wie Hydra, das vielköpfige Ungeheuer aus der griechischen Mythologie, eine Teilnehmerin 2018 im Norden Mallorcas Urlaub gemacht hat, ein anderer  vor 15 Jahren in der Sixtinischen Kapelle Michelangelo für sich entdeckt hat und man mit einer großen Portion Phantasie in einer Baumwurzel den Styx samt Fährmann erkennen kann.

Kurz: Es funktioniert. Hier wird nach Lust und Laune einfach drauflos „geschnackt“.

Josef Cordroch ist mit seiner Kamera fast in den Frühling „hineingekrochen“.

Darf nicht fehlen: ein frühlingshafter Wasserblick (Bildausschnitt). Foto: Norbert H. Dieffenbach

Frühlingsfarben von Uwe Wolkenhauer

Die Glaskugel sagt, es wird Frühling! Foto: Aniko Kürthy

Mit „Coffee&Talk“ hat eine weitere Gruppe einen virtuellen Platz für ihre gemeinsamen Kaffeestunde gefunden. Auch hier hat Uwe Wolkenhauer die Fäden mit in der Hand. Der 75-Jährige hat einfach ein Faible für die neue Techniken und ist dadurch schnell auch zum „Türöffner“ für andere geworden.

„Coffee&Talk“ trifft sich seit einigen Wochen auf Jitsi. Zu einem ihrer Treffen war ich mit eingeladen. Na klar, manchmal verhindern technische Probleme – das Bild friert ein, das Mikrophon wurde versehentlich ausgestellt – eine flüssige Kommunikation, aber alles in Allem wird das Treffen auch virtuell seinem Motto gerecht: If you don`t use it, you`ll loose it!

Und deswegen wird hier munter auf Englisch über dieses und jenes geschnackt: Politik, den Tag im Garten und die Fahrradreparatur. Wer eine Vokabel nicht kennt, umschreibt oder nimmt einfach den deutschen Begriff und die Gruppe hilft weiter. Hier stellt niemand sein Video aus oder virtuelle Hintergründe ein. Alle laden mich quasi zu sich nach Hause ein.

„Coffee&Talk“ online – wie eine gleichzeitige Einladung in mehrere Wohnzimmer.

Ich fühle mich gleich wohl und denke: Auch per WhatApp, Jitsi und Co lässt sich schnacken und Gemeinschaft erleben. Anders. Auf jeden Fall. Aber besonders, wenn sich die Gruppenmitglieder schon länger kennen, funktioniert es, und als Übergangslösung ist es absolut okay.

Angeboten werden solche Online-Alternativen natürlich längst auch in anderen Bereichen, in denen Gemeinschaft großgeschrieben wird, zum Beispiel in den Volkshochschulen in Schleswig-Holstein. Unter dem Titel „VHS to huus“ haben sie ein ganzes Programm aus Online-Kursen zusammengestellt – von Tipps für Senior*innen beim Lebensmitteleinkauf über Pilates bis zum Plattdeutsch-Aufbaukurs.

www.vhs-sh.de/vhstohuus/

Imke

Moin, mit Jahrgang 1972 bin ich die „Seniorin“ in der Neuen Etage und fühle mich in dieser besonderen WG pudelwohl. Geboren in Bad Oeynhausen (Nordrhein-Westfalen) habe ich mich schon während meines Zeitungsvolontariats in den Norden verliebt. Nach ein paar Umwegen über Köln, Bamberg, Bayreuth und Oldenburg (Nds.) bin ich 2014 samt Mann und Hund (wieder) in Schleswig-Holstein angekommen. Inzwischen leben wir in Harrislee, einer Gemeinde direkt an der dänischen Grenze und nur einen Katzensprung von Flensburg entfernt. Wenn ich nicht am Schreibtisch sitze, gehe ich am liebsten direkt vor der Haustür zu Fuß auf Entdeckungstouren oder powere mich im Kajak auf der Förde aus.

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