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Hin und weg!

  • 25. Juni 2017
  • Von Susanne
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Hin und weg!

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Zu Besuch bei der Künstlerin Annabelle Fürstenau auf Gröde

Am Anleger steht eine Frau im grünen Anorak. Sie winkt mir zu. Die Frau ist meine Freundin Annabelle inmitten ihrer Nachbarn, die ebenfalls ihre Gäste abholen. Noch vor einer guten halben Stunde war Gröde nur ein schemenhafter Haufen, der die Horizontlinie des Wattenmeers durchbricht. Jetzt sind die Häuser oben auf der Kirchwarft und der Knudtswarft gut zu erkennen. Im Wind flattert Wäsche. Drumherum plattes Marschland. Salzwiesen, bevölkert von Schafen, Kühen und Tausenden von Seevögeln. Für mich inzwischen ein vertrauter Anblick, dazu das Aroma der Nordsee und die leichten Böen, die mir die Haare zerzausen: Voller Vorfreude auf unser gemeinsames Halligwochenende winke ich zurück. Nur noch ein paar Minuten, dann macht die MS SeeAdler fest.

 

 

Großes Hallo und eifriges Gewusel auf dem Steg. Längere Umarmungen müssen warten, denn erstmal wird die wöchentliche Lebensmittellieferung verfrachtet, die mit uns angekommen ist. Gröde hat einen tidenabhängigen Anleger, das heißt, die Hallig kann nur bei Hochwasser angesteuert werden. Und weil Kapitän von Holdt noch weitermuss und keine Zeit verlieren darf, packen alle kurz mit an. Zwei Trecker samt Anhängern stehen schon bereit. Ruckzuck sind Bananenkisten, Pflanzenkübel, Klopapiergebinde, allerhand Tüten und Gepäck verstaut und schon setzt sich der Tross in Bewegung Richtung Knudtswartft. Nachdem wir uns endlich ausgiebig in die Arme gefallen sind, machen auch wir uns über die Wiesen auf den Weg zu dem 256 Jahre alten Haus, in dem Annabelle jetzt lebt. Seit 2013 ist sie Eine von Neun, die die kleinste selbständige Gemeinde Deutschlands bewohnen.

 

 

Angefangen hatte alles mit einem Künstlerinnenstipendium. Mit dessen Hilfe wollte sie damals eine ihrer freien fotografischen Arbeiten realisieren, eine eigene Chronik der Hallig. Sie hatte sich überlegt, im Laufes eines Jahres immer wieder für einige Wochen nach Gröde zu kommen und die sich verändernde Landschaft zu porträtieren. Das hatte sich in der kleinen Gemeinde schnell herumgesprochen. Noch bevor es richtig losging, entstand dort plötzlich die Idee, Annabelle als „Artist in Residence“ in das alte Schulhaus ziehen zu lassen. Nur für einen Sommer, als Zwischennutzung, bis es dann mit der Restaurierung des Gebäudes losgehen sollte. Gesagt getan. Aus dem einen Sommer sind inzwischen über vier Jahre geworden, nur dass Annabelle ihr Atelier nun auf der Knudtswarft hat. Seit meine Freundin auf Gröde wohnt, war ich schon oft hier: Im Frühling zur Lammzeit mit den Ringelgänsen und im Sommer zur Heuernte. Ich kann verstehen, dass es ihr schwerfällt, wieder aufs Festland zu ziehen. Dichter dran am Beat der Gezeiten kann man kaum sein als auf diesem wilden kleinen Eiland der Gegensätze.

 

Foto: Annabelle Fürstenau

 

Auf Gröde gibt es zwar Monikas Kiosk, aber kein Café, geschweige denn ein Restaurant. Also sind wir unser eigenes Bistro, unter Bäumen in Annabelles Garten. Ihr Hefezopf duftet mit den Rosen um die Wette, dazu gibt es Birnengelee aus Amrumer Früchten, Tee und Milchcafé. Und Erdbeeren satt. Frisch gepflückt auf einem Zwischenstopp nach Schlüttsiel. Die standen auf ihrer Wunschliste ganz oben. Hier kann man eben nicht mal eben auf den Markt gehen, um zu kaufen, worauf man gerade Appetit hat. Vor jedem Besuch ist eine meiner ersten Fragen darum immer, was ich mitbringen soll. Je nach Saison sind das meistens frische Sachen, die gleich weiterverarbeitet werden. Annabelle kommt ihr Faible fürs Kochen, Backen und Einwecken gut zu Pass. Sogar ihr Eis stellt sie manchmal selbst her, ein handgerührter Süchtigmacher! Ab Frühsommer gibt es für einige Wochen aber auch Gemüse in ihrer Küche, die wiederum wir auf unseren Märkten nicht kaufen können: Queller und Suden.

 

Foto: Annabelle Fürstenau

Foto: Annabelle Fürstenau

Küstenspargel und Meerstrandwegerich, wie sie auch heißen, sind auf den Salzwiesen zuhause. Da diese bis zu 30 Mal im Jahr bei Landunter überflutet werden, gedeiht hier nur, was mit dem hohen Salzgehalt des Bodens zurechtkommt. Beide Arten überleben mit einer jeweils eigenen, ausgeklügelten Technik. Der Queller verdünnt das Salz, Um die Salzkonzentration erträglich zu halten, verdünnt der Queller das Salz und quillt deshalb im Verlauf der Vegetationsperiode auf. Der Meerstrandwegerich hingegen transportiert das Salz in einzelne Blätter, die nur schmecken, wenn sie noch jung sind. Während Queller an knackige, dickfleischige Algen erinnert, die sich in Salat und Quark gut machen, schmecken Suden eher spinatähnlich und werden auch so zubereitet. Köstlich!

 

Foto: Luey Hikmat

Wenn wir zusammen über die Hallig streifen habe ich immer den Eindruck, Annabelle kennt jeden Halm, jedes Nest und jeden Stein und ich glaube, das ist auch wirklich so. Weil es mehr als eine Cafémenge zu erzählen gibt, ist es zum Schwimmen allmählich zu spät. Macht nichts, wir drehen einfach eine große Runde über Appelland, das früher mal eine eigene Hallig war, und dann zurück über den Sommerdeich. Dabei kann sie gleich die Kühe zählen, die im Mai vom Festland herübergebracht worden sind und hier den Sommer verbringen. Hier kann zwar keine abhauen, aber in einem der Priele landen, die Gröde durchziehen. Kuhhirtin ist Annabelle erst seit diesem Jahr. Schon länger kümmert sie sich auch um die Kirche und den Friedhof auf der Kirchwarft. Sie ist Gästeführerin, war schon Schafflüsterin als Helferin während der Lammzeit und bei Bedarf päppelt sie als Kükenmama verwaiste Küken wieder auf. Für Tagestouristen öffnet sie ihren kleinen Fenster-Laden. Aus ihrem Atelierfenster heraus verkauft sie ihre Postkarten und die Becher, Schalen und Schüsseln, die sie in ihrer Werkstatt dreht und brennt. Kleine Schätze, in Farben, die in den Wiesen, am Saum, im Meer und im Himmel über Gröde stecken.

 

Foto: Annabelle Fürstenau

 

Der wölbt sich jetzt über mir und beschenkt mich mit Sternen dicht an dicht. Ich bin mit Schlafsack und Isomatte in den Garten unter den Holunder gezogen, atme die kühle Nachtluft ein und leuchte innerlich nach diesem Tag. Das Geschnatter der gefiederten Halligbewohner hüllt mich ein. Es wird sich die nächsten Stunden über nicht legen, denn Ebbe heißt Fressenszeit, da gibt es viel zu tun. Lasst es euch schmecken, denke ich noch. Dann schlafe ich ein.

 

Hinkommen: Einen Tagesausflug könnt ihr ab Schlüttsiel zum Beispiel mit der MS Rungholt unternehmen. Auf der Fahrt mit dem schmucken, kleinen Holzschiff erzählt euch Kapitän Petersen schon allerhand über die Halligwelt. Wenn ihr euch vorher bei ihm als Gruppe angemeldet habt, empfängt Annabelle euch auf Gröde zu einem etwa halbstündigen Spaziergang zur Kirchwarft.

Wer gut zu Fuß ist, kann auch an einer der Wattwanderungen teilnehmen, die Nationalpark-Wattführer Birgit Andresen und Dr. Walther Petersen-Andresen als Tagestour von Schlüttsiel aus anbieten. Zurück geht es per Schiff.

Länger bleiben: Claudia Mommsen und Sabine Kolk vermieten Appartements an Feriengäste. Sie organisieren dann auch die An- und Abfahrt für euch.

Mehr Info: Die Website des Bioshärenreservats Halligen bietet einen Überblick über die zehn Halligen Schleswig-Holsteins, eine Formation, die auf der Welt im wahrsten Sinne des Wortes einmalig ist, denn die gibt es nur bei uns im Unesco Weltnaturerbe Wattenmeer.

Mehr über Annabelle Fürstenau: Einen Blick in ihre Arbeiten, zum Teil Work in Progress, könnt ihr auf ihrer Seite werfen.

 

Susanne

Ich bin Susanne, Kieler Sprotte mit rheinischem Gen. Nach Stationen in Köln und auf Sylt lebe ich seit über zwanzig Jahren wieder in Kiel. Mittendrin, mit meinem Mann Martin – und tonnenweise Büchern. Sozialisiert als Wollsocke der ersten Generation traktierte ich schon als Dreizehnjährige meine Familie mit makrobiotischer Kost.

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