Es ruckelt, es brummt, es vibriert – und dann entfernt sich der dicke Poller Stück wir Stück. „Wir fahren!“, ruft ein kleiner Junge hinter mir begeistert. Ja, wir fahren! Seit wir vor inzwischen über acht Jahren nach Flensburg gezogen sind, wollte ich das mal machen: Eine Förde-Fahrt mit einem Ausflugsschiff. Heute ist es soweit: Ich sitze an Bord der MS Viking. Leiv und unser Hund Lotta sind auch mit dabei. Wir haben uns für eine einfache Fahrt nach Glücksburg und den Rückweg zu Fuß und mit Bus entschieden.
Wie jede gute Reise beginnt auch unsere 45-minütige Seefahrt bereits mit der Planung: Da wir uns einen Samstag für unseren Ausflug ausgesucht haben – und das auch noch bei bestem Wetter – habe ich die Tickets schon drei Tage vor der Fahrt online reserviert. Eine kluge Entscheidung, wie sich bei der Ankunft am Ableger schnell herausstellt. Lotta nehmen wir dann zwischen den ganzen Menschen doch lieber erst einmal auf den Arm.
Nach ein paar Minuten Wartezeit fährt die MS Viking auch schon in unser Blickfeld. Pünktlich wie ein Linienbus. Das Festmachen ist Routine für die Crew. Ein paar Minuten später gehen die alten Gäste von Bord und machen den Weg frei für uns und unsere Mitreisenden.
Auf dem Schiff komme ich mir vor wie auf einer Zeitreise: Die Sitzpolster, die Andenken, die Süßigkeiten-Ecke – alles versprüht so eindeutig den Charme der Fährfahrten, die ich als Kind mit meinen Eltern unternommen habe, dass ich schmunzeln muss. Ein Blick auf die Speisekarte und hinter den Tresen bestätigt: Auch hier hat sich offensichtlich wenig verändert. Bockwurst mit Kartoffelsalat und Fanta oder Streuselkuchen mit Kaffee – die Klassiker meiner Kindheit – haben auf diesem Schiff definitiv gut konserviert alle modernen gastronomischen Entwicklungen der vergangenen Jahrzehnte überstanden.
Kaum abgelegt, beginnt die ebenfalls obligatorische, launig vorgetragene „Reiseführung“ per Lautsprecheransage. Leider ist die wegen der Akustik unter Deck aber so schlecht zu verstehen, dass wir uns erst einmal ganz auf die Ausblicke und den Kuchen konzentrieren. Trotzdem erfahren wir zumindest so halb, dass der Harrisleer Ortsteil Wassersleben ursprünglich Sosti (dänisch für Schweinestall) hieß und später nach Konferenzrat Joachim Wasserschlebe (1709–1787) benannt wurde. Sein Name war wohl bei der Namensübertragung ähnlich schwer zu verstehen gewesen wie die Ansage… Auf Deck ist die allerdings deutlich besser, wie wir später feststellen.
Hinter Wassersleben fahren wir mitten in das Segelrevier: Lauter weiße Segel um uns herum. Während einige von ihnen in für meine Verhältnisse bereits deutlich zu sportlicher Schräglage an uns vorbeiziehen, tuckern wir gemütlich weiter unserer Wege.
Umso weiter wir uns von Flensburg entfernen, umso grüner wird das Ufer. Vorbei an den beiden kleinen dänischen Ochseninseln geht es dann auf direktem Weg nach Glücksburg. Und dann ist unsere kleine Seereise auch schon vorbei.
Mein Fazit: Als Nostalgie-Tour auf jeden Fall eine Reise wert! Überhaupt macht es Spaß, als Einheimische ab und zu ganz und gar touristisch unterwegs zu sein.
Habt ihr auch Lust bekommen? Die MS Viking fährt noch bis Ende Oktober.
Moin, mit Jahrgang 1972 bin ich die „Seniorin“ in der Neuen Etage und fühle mich in dieser besonderen WG pudelwohl. Geboren in Bad Oeynhausen (Nordrhein-Westfalen) habe ich mich schon während meines Zeitungsvolontariats in den Norden verliebt. Nach ein paar Umwegen über Köln, Bamberg, Bayreuth und Oldenburg (Nds.) bin ich 2014 samt Mann und Hund (wieder) in Schleswig-Holstein angekommen. Inzwischen leben wir in Harrislee, einer Gemeinde direkt an der dänischen Grenze und nur einen Katzensprung von Flensburg entfernt. Wenn ich nicht am Schreibtisch sitze, gehe ich am liebsten direkt vor der Haustür zu Fuß auf Entdeckungstouren oder powere mich im Kajak auf der Förde aus.
Herzlich willkommen in der Neuen Etage. Die Aussicht hier oben ist top, alles riecht noch ganz frisch und es gibt regelmäßig etwas Neues zu entdecken.